Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verpflichtung, im Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung geltende Vorschriften über Abgabenerhebung anzuwenden, wenn Einfuhrwaren in das Verfahren hätten übergeführt werden können; Pflicht zur Erstattung von Einfuhrabgaben
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 122 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die nationalen Zollbehörden bei der Festsetzung des Zollschuldbetrags, der sich aus der Überführung von Veredelungserzeugnissen in den zollrechtlich freien Verkehr ergibt, nicht verpflichtet sind, die im Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften über die Abgabenerhebung anzuwenden, wenn die Einfuhrwaren in dieses Verfahren hätten übergeführt werden können, es sei denn, der Beteiligte hätte dies ausdrücklich beantragt.
2. Artikel 236 der Verordnung Nr. 2913/92 ist dahin auszulegen, dass die nationalen Zollbehörden einem Antrag auf Erstattung von Einfuhrabgaben stattgeben müssen, wenn sich herausstellt, dass der Betrag der Zollschuld nicht infolge der Ausübung eines Wahlrechts, sondern infolge eines Irrtums des Beteiligten nach Artikel 121 des Zollkodex festgelegt und dem Beteiligten bereits mitgeteilt wurde, auch wenn dieser Antrag bedeutet, dass diese Behörden den Betrag der Schuld nach Artikel 122 Buchstabe c des Zollkodex neu berechnen müssen.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 122 Buchst. C, Art. 236
Beteiligte
Inspecteur van de Belastingdienst-Douane Zuid/kantoor Roermond |
Verfahrensgang
Gerechtshof Amsterdam (Niederlande) (Urteil vom 18.02.2005; Abl.EU 2005, Nr. C 106/19) |
Tatbestand
„Zollkodex ‐ Ermittlung der Zollschuld ‐ Gemäß Artikel 121 des Zollkodex vom Beteiligten berechnete und von den Zollbehörden bestätigte Einfuhrabgaben für Veredelungserzeugnisse ‐ Nach Artikel 122 Buchstabe c des Zollkodex zu berechnende Abgaben ‐ Erstattung der zu viel gezahlten Beträge aufgrund von Artikel 236 des Zollkodex“
In der Rechtssache C-100/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom 18. Februar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2005, in dem Verfahren
ASM Lithography BV
gegen
Inspecteur van de Belastingdienst-Douane Zuid/kantoor Roermond
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der ASM Lithography BV, vertreten durch E. H. Mennes und L. E. C. Kanters, belastingadviseurs,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Mol sowie M. de Grave als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Hottiaux als Bevollmächtigte im Beistand von F. Tuytschaever, advocaat,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 121 Absatz 1, 122 Buchstabe c und 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im Folgenden: Zollkodex).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ASM Lithography BV (im Folgenden: ASM Lithography) und dem Inspecteur van de Belastingdienst-Douane Zuid/kantoor Roermond (im Folgenden: Inspecteur) wegen eines Antrags auf Erstattung von Zöllen betreffend zwischen Oktober 1998 und Juli 2000 in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführte Waren.
Rechtlicher Rahmen
3
Artikel 114 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Im aktiven Veredelungsverkehr können unbeschadet des Artikels 115 folgende Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft einem oder mehreren Veredelungsvorgängen unterzogen werden:
a) Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft in Form von Veredelungserzeugnissen bestimmt sind, und zwar, ohne dass für diese Waren Einfuhrabgaben erhoben oder handelspolitische Maßnahmen angewandt werden;
b) …
(2) Im Sinne dieser Verordnung sind oder ist
a) Nichterhebungsverfahren: der aktive Veredelungsverkehr in der in Absatz 1 Buchstabe a) vorgesehenen Form;
…
d) Veredelungserzeugnisse: alle Erzeugnisse, die aus Veredelungsvorgängen entstanden sind;
…“
4
Artikel 121 Absatz 1 des Zollkodex lautet:
„Vorbehaltlich des Artikels 122 wird bei Entstehen einer Zollschuld die Höhe dieser Zollschuld anhand der Bemessungsgrundlagen berechnet, die für die Einfuhrwaren in dem Zeitpunkt maßgebend waren, in dem die Anmeldung zur Überführung dieser Waren in den aktiven Veredelungsverkehr angenommen wurde.“
5
Artikel 122 des Zollkodex s...