Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 93/13/EWG. Verbraucherverträge. Missbräuchliche Schiedsklausel. Nichtigkeit. Rechtskräftig gewordener Schiedsspruch. Zwangsvollstreckung. Zuständigkeit des nationalen Vollstreckungsgerichts für die Prüfung der Nichtigkeit der missbräuchlichen Schiedsklausel von Amts wegen. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität
Beteiligte
Asturcom Telecomunicaciones |
Asturcom Telecomunicaciones SL |
Cristina Rodríguez Nogueira |
Tenor
Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Antrag auf Zwangsvollstreckung aus einem in Abwesenheit des Verbrauchers ergangenen rechtskräftigen Schiedsspruch anhängig ist, verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit der Schiedsklausel von Amts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, wenn es nach den Bestimmungen seines nationalen Verfahrensrechts eine solche Beurteilung im Rahmen vergleichbarer Anträge nationaler Art vornehmen kann. Ist dies der Fall, so obliegt es diesem Gericht, alle Konsequenzen zu ziehen, die sich daraus nach nationalem Recht ergeben, um sich zu vergewissern, dass diese Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia Nr. 4 de Bilbao (Spanien) mit Entscheidung vom 29. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2008, in dem Verfahren
Asturcom Telecomunicaciones SL
gegen
Cristina Rodríguez Nogueira
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič, A. Tizzano (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Asturcom Telecomunicaciones SL, vertreten durch P. Calderón Plaza und P. García Ibaceta, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigten,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch K. Veres, R. Somssich und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Mai 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Antrags auf Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftig gewordenen Schiedsspruch der Asturcom Telecomunicaciones SL (im Folgenden: Asturcom) gegen Frau Rodríguez Nogueira wegen Zahlung von Beträgen, die in Erfüllung eines Mobiltelefonvertrags geschuldet werden, den dieses Unternehmen mit Frau Rodríguez Nogueira geschlossen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.”
Rz. 4
Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.”
Rz. 5
Der Anhang der Richtlinie enthält eine als Hinweis dienende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können. Unter diesen sind in Nr. 1 Buchst. q dieses Anhangs die Klauseln erwähnt, die bezwecken oder bewirken, dass „dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge”.
Nationales Recht
Rz. 6
Im spanischen Recht waren Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauseln zunächst durch das Allgemeine Gesetz 26/1984 über den Schutz der Verbraucher und Benutzer (Ley General 26/1984 para la Defensa de los Consumidores y Usuarios) vom 10. Juli 1984 (BOE Nr. 176 vom 24. Juli 1984, im Folgenden: Gesetz 26/1984) geschützt.
Rz. 7
Das Gesetz 26/1984 wurde durch das...