Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensübergang. Richtlinie 77/187/EWG. Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer. Für den Veräußerer und den Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Übergangs geltender Kollektivvertrag
Beteiligte
Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG |
Tenor
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass der Erwerber, der nicht Partei eines den Veräußerer bindenden Kollektivvertrags ist, auf den der Arbeitsvertrag verweist, durch Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden nachfolgen, nicht gebunden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Oktober 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2004, in dem Verfahren
Hans Werhof
gegen
Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, S. von Bahr und U. Lõhmus,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Hans Werhof, vertreten durch Assessor R. Buschmann,
- der Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Löffler,
- der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. November 2005
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26, im Folgenden: Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Hans Werhof (im Folgenden: Kläger) und der Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG (im Folgenden: Beklagte) im Hinblick auf die Anwendung eines Tarifvertrags.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über.
…
(2) Nach dem Übergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, sofern dieser nicht weniger als ein Jahr beträgt.”
4 Diese Bestimmungen wurden bei einer Änderung durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Änderung der Richtlinie 77/187 (ABl. L 201, S. 88), deren Umsetzungsfrist am 17. Juli 2001 abgelaufen ist, im Wesentlichen beibehalten.
Nationales Recht
5 Artikel 3 der Richtlinie wurde durch § 613a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in deutsches Recht umgesetzt; dessen Sätze 1 und 2 lauten:
„Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.”
Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen
6 Der Kläger wurde zum 1. April 1985 von der DUEWAG AG eingestellt. Nach dem Arbeitsvertrag galten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrags und des jeweils gültigen Lohnabkommens für Arbeiter der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens.
7 Dieser Tarifvertrag war zwischen dem Arbeitgeberverband der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (im Folgenden: AGV) und der Industriegewerkschaft Metall (im Folgenden: IG Metall) geschlossen worden. Zur Zeit der Einstellung war die DUEWAG AG Mitglied des AGV.
8 Am 1. April 1999 wurde diese Gesellschaft in die Siemens DUEWAG Gmb...