Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit. Art. 25 des Anhangs I des Abkommens. Art. 63 AEUV und Art. 64 Abs. 1 AEUV. Freier Kapitalverkehr. Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats, deren Anteile von einer Gesellschaft schweizerischen Rechts gehalten werden. Erwerb einer in diesem Mitgliedstaat belegenen Immobilie durch diese Gesellschaft
Beteiligte
Finanzierungsberatung-Immobilientreuhand und Anlageberatung GmbH (FIAG) |
Tenor
1. Art. 25 des Anhangs I des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ist dahin auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien vorgeschriebene Inländergleichbehandlung nur für natürliche Personen gilt.
2. Art. 64 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes vom 3. März 1998, nach denen Ausländer im Sinne dieses Gesetzes beim Erwerb von im Land Wien belegenen Immobilien eine entsprechende Genehmigung einholen oder aber eine Bestätigung vorlegen müssen, dass die in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit vorliegen, eine gegenüber der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Drittland zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 4. November 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2008, in dem Verfahren
Fokus Invest AG
gegen
Finanzierungsberatung-Immobilientreuhand und Anlageberatung GmbH (FIAG)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Fokus Invest AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Naske,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 des Anhangs I des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6) sowie der Art. 63 AEUV und 64 Abs. 1 AEUV.
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines bei den österreichischen Gerichten anhängigen Verfahrens, in dem es um die Voraussetzungen für den Erwerb einer in Österreich belegenen Immobilie durch eine Gesellschaft österreichischen Rechts, deren Anteile von einer Gesellschaft schweizerischen Rechts gehalten werden, geht.
Rechtlicher Rahmen
Das Abkommen
Rz. 3
Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Schweizerische Eidgenossenschaft andererseits unterzeichneten am 21. Juni 1999 sieben Abkommen, darunter das Abkommen über die Freizügigkeit (im Folgenden: Abkommen). Diese sieben Abkommen wurden mit Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 4. April 2002 (ABl. L 114, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft gebilligt und traten am 1. Juni 2002 in Kraft.
Rz. 4
Die Vertragsparteien schlossen das Abkommen seiner Präambel zufolge „in der Überzeugung, dass die Freizügigkeit der Personen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei wesentlicher Bestandteil einer harmonischen Entwicklung ihrer Beziehungen ist” und erklärten sich „entschlossen, diese Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen”.
Rz. 5
Art. 1 („Ziel”) des Abkommens lautet:
„Ziel dieses Abkommens zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes:
- Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;
- Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;
- Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
- Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.”
Rz. 6
Art. 5 („Dienstleistungserbringer”) Abs. 1 des Abkomme...