Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitz des Erblassers in anderem Mitgliedstaat, Abzug von Hypothekenverbindlichkeiten bei Immobilien
Leitsatz (amtlich)
Art. 56 EG ist in Verbindung mit Art. 58 EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden über die Veranlagung zur Erbschaftsteuer und zur Vermögensübergangsteuer, die auf eine Immobilie erhoben werden, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, entgegensteht, die, sofern der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens nicht in diesem Staat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat wohnte, keine Abzugsfähigkeit von auf dieser Immobilie lastenden Schulden vorsieht, diese Abzugsfähigkeit jedoch dann vorsieht, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt in dem Staat wohnte, in dem die vererbte Immobilie belegen ist.
Normenkette
EGVtr Art. 56, 58
Beteiligte
Verfahrensgang
Hof van Beroep te Gent (Belgien) (Urteil vom 11.01.2007; Abl.EU 2007, Nr. C 56/21) |
Tatbestand
„Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 56 EG und 58 EG ‐ Erbschaftsteuer Nationale Regelung der Veranlagung zur Vermögensübergangsteuer auf Immobilien, nach der der Abzug der auf einer Immobilie ruhenden hypothekarischen Belastungen vom Wert dieser Immobilie nicht erlaubt ist, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt hat - Beschränkung - Keine Rechtfertigung“
In der Rechtssache C-11/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Gent (Belgien) mit Entscheidung vom 11. Januar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Januar 2007, in dem Verfahren
Hans Eckelkamp,
Natalie Eckelkamp,
Monica Eckelkamp,
Saskia Eckelkamp,
Thomas Eckelkamp,
Jessica Eckelkamp,
Joris Eckelkamp
gegen
Belgische Staat
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, J. Klŭcka, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn H. Eckelkamp, Frau N. Eckelkamp, Frau M. Eckelkamp, Frau S. Eckelkamp, Herrn T. Eckelkamp, Frau J. Eckelkamp und Herrn J. Eckelkamp, vertreten durch B. Coopman und M. Van Daele, advocaten,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von A. Haelterman, advocaat,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, A. Weimar und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. März 2008
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG, 17 EG, 18 EG, 56 EG und 58 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen den Erben der in Deutschland verstorbenen deutschen Staatsangehörigen H. Eckelkamp und dem FOD Financiën, Administratie van de BTW, registratie en domeinen (Bundesbehörde für Finanzen, Verwaltung der Mehrwertsteuer, Registrierung und Staatsbesitz), über deren Weigerung, bei der Veranlagung zur Steuer auf den Vermögensübergang von Todes wegen (im Folgenden: Vermögensübergangsteuer) für eine Immobilie, die Frau Eckelkamp in Belgien besaß, die auf dieser Immobilie lastenden Verbindlichkeiten anzurechnen, mit der Begründung, dass sie zum Zeitpunkt ihres Ablebens nicht in Belgien gewohnt habe.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (später Art. 67 EG-Vertrag, [aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam]) (ABl. L 178, S. 5) lautet:
„(1) Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.
(2) Die mit dem Kapitalverkehr zusammenhängenden Zahlungstransaktionen erfolgen zu den gleichen Devisenbedingungen, die bei Zahlungen für laufende Transaktionen gelten.“
4
Zum in Anhang I der Richtlinie 88/361 aufgeführten Kapitalverkehr gehört die Rubrik XI „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“. Darunter fallen Erbschaften und Vermächtnisse.
Nationales Recht
5
In Belgien fällt bei den Erbschaftsteuern die Festlegung des Steuersatzes, der Besteuerungsgrundlage, der Befreiungen und Ermäßigungen in die Zuständigkeit der Regionen.
6
Art. 1 des Flämischen Wetboek Successierechten (Erbschaftsteuergesetzbuch, im Folgenden: WS) bestimmt:
„Es werden erhoben:
1. eine Erbschaftsteuer auf den Wert ‐ nach Abzug der Verbindlichkeiten ‐ all dessen, was aus dem Nachlass eines Einwohners des Königreichs bezogen wird;
2. eine Vermögensübergangsteuer auf den Wert der in Belgien belegenen Immobilien, die aus dem Nachlass einer Person erlangt werden, die nicht Einwohner des Königreich...