Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Krankenhausbehandlung, Ärztliche Heilbehandlung, Eng verbundener Umsatz, Lieferung von Zytostatika bei ambulanter Krankenhausbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Eine Lieferung von Gegenständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen zytostatischen Medikamenten, die von innerhalb eines Krankenhauses selbständig tätigen Ärzten im Rahmen einer ambulanten Krebsbehandlung verschrieben worden sind, kann nicht gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2005/92/EG des Rates vom 12. Dezember 2005 geänderten Fassung von der Mehrwertsteuer befreit werden, es sei denn, diese Lieferung ist in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Befreiungen ‐ Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b ‐ Lieferung von Gegenständen ‐ Lieferung von Zytostatika zur ambulanten Behandlung ‐ Leistungen verschiedener Steuerpflichtiger ‐ Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c ‐ Heilbehandlungen ‐ Arzneimittel, die von einem in einem Krankenhaus selbständig tätigen Arzt verschrieben worden sind ‐ Eng verbundene Umsätze ‐ Nebenleistungen der Heilbehandlung ‐ In tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht untrennbare Umsätze“
In der Rechtssache C-366/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 2012, in dem Verfahren
Finanzamt Dortmund-West
gegen
Klinikum Dortmund gGmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Klinikum Dortmund gGmbH, vertreten durch Rechtsanwältin G. Ritter,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und C. Soulay als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. September 2013
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2005/92/EG des Rates vom 12. Dezember 2005 (ABl. L 345, S. 19) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Klinikum Dortmund gGmbH (im Folgenden: Klinikum Dortmund oder Klinikum) und dem Finanzamt Dortmund-West wegen dessen Ablehnung, die Herstellung und Abgabe zytostatischer Medikamente zur Krebsbehandlung im Klinikum Dortmund von der Mehrwertsteuer zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
Rz. 4
Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.
…“
Rz. 5
Art. 12 Abs. 3 dieser Richtlinie bestimmt:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat auf einen bestimmten Vomhundertsatz der Besteuerungsgrundlage festgesetzt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. …
…
Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.
…“
Rz. 6
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der S...