Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollkodex, Nachweis der Ordnungsmäßigkeit der Durchführung des Versandverfahrens, Begriff der gesetzlich geschuldeten Abgaben
Leitsatz (amtlich)
Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass die nationalen Zollbehörden nicht gemäß Art. 379 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 den Ort der Entstehung der Zollschuld bestimmt haben, nicht zur Folge hat, dass der Betrag der Abgaben nicht gesetzlich geschuldet ist.
Der Mitgliedstaat der Abgangsstelle kann die Einfuhrabgaben jedoch nur erheben, wenn er dem Hauptverpflichteten gemäß Art. 379 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2454/93 mitgeteilt hat, dass dieser über eine Frist von drei Monaten für den Nachweis des Ortes der Zuwiderhandlung verfügt, und wenn dieser Nachweis nicht fristgerecht erbracht worden ist.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 236 Abs. 1; EWGV 2454/93 Art. 379 Abs. 2
Beteiligte
Road Air Logistics Customs |
Staatssecretaris van Financiën |
Road Air Logistics Customs BV |
Verfahrensgang
KHO (Finnland) (Urteil vom 22.12.2006; Abl.EU 2007, Nr. C 42/18) |
Tatbestand
„Zollkodex der Gemeinschaften und Durchführungsverordnung ‐ Gemeinschaftliches Versandverfahren ‐ Zuwiderhandlung ‐ Nachweis der Ordnungsgemäßheit der Durchführung des Versandverfahrens oder des Ortes der Zuwiderhandlung ‐ Keine Gewährung der Frist von drei Monaten für das Erbringen dieses Beweises ‐ Erstattung der Abgaben ‐ Begriff ‘gesetzlich geschuldet‘“
In der Rechtssache C-526/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2006, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Road Air Logistics Customs BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten U. Lõhmus (Berichterstatter) sowie der Richter J. Klŭcka und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Road Air Logistics Customs BV, vertreten durch K. Winters, advocaat, und J. Hollebeek, adviseur,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Hottiaux als Bevollmächtigte im Beistand von F. Tuytschaever, avocat,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) und der Road Air Logistics Customs BV (im Folgenden: Road Air) wegen eines Antrags auf Erstattung von Abgaben.
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 20 Abs. 1 des Zollkodex lautet:
„Die bei Entstehung einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.“
4
Die Bestimmungen über die Entstehung der Zollschuld sind in Titel VII Kapitel 2 des Zollkodex enthalten. Diese Bestimmungen beschreiben u. a. die Tatbestände für die Entstehung einer solchen Schuld und bestimmen den Zollschuldner sowie den Zeitpunkt und den Ort der Entstehung.
5
Art. 203 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
‐ wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
…“
6
Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex lautet:
„Sofern in diesem Zollkodex nichts Gegenteiliges bestimmt ist, wird der Betrag der auf eine Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben unbeschadet Absatz 2 anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten.“
7
Art. 215 des Zollkodex hatte in seiner Fassung vom 10. Mai 1999 folgenden Wortlaut:
„(1) Die Zollschuld entsteht an dem Ort, an dem der Tatbestand, der die Zollschuld entstehen lässt, eingetreten ist.
(2) Kann der Ort im Sinne des Absatzes 1 nicht bestimmt werden, gilt die Zollschuld als an dem Ort entstanden, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen.
(3) In dem Fall, in dem das Zollverfahren für eine Ware nicht erledigt worden ist, gilt die Zollschuld als an dem Ort entstanden,
‐ an dem die Ware in das Verfahren übergeführt worden ist oder
‐ an dem die Ware im Rahmen des betreffenden Verfahrens in die Gemeinschaft eingeführt wird.
(4) Können die Zollbehörden aus ihnen bek...