Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrumsatzsteuerbefreiung, Innergemeinschaftliche Lieferung im Anschluss an eine Einfuhr, Zollverfahren 4200, Einfuhranmeldung, Indirekte Vertretung, Zolldienstleister als Schuldner von Einfuhrumsatzsteuer

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 143 Buchst. d

 

Beteiligte

Vetsch Int. Transporte

Vetsch Int. Transporte GmbH

Zollamt Feldkirch Wolfurt

 

Tenor

Art. 143 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die darin normierte Einfuhrumsatzsteuerbefreiung dem gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur nicht zu versagen ist, wenn, wie im Fall des Ausgangsverfahrens, der Empfänger der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser spätere Umsatz in eine vom Empfänger begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 2017, in dem Verfahren

Vetsch Int. Transporte GmbH,

Beteiligter:

Zollamt Feldkirch Wolfurt,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Vetsch Int. Transporte GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt P. Csoklich,
  • des Zollamts Feldkirch Wolfurt, vertreten durch G. Kofler als Bevollmächtigten,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch F. Koppensteiner, D. Schwab und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 143 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009 (ABl. 2009, L 175, S. 12) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vetsch Int. Transporte GmbH (im Folgenden: Vetsch) und dem Zollamt Feldkirch Wolfurt (Österreich) (im Folgenden: Zollamt) wegen der Befreiung der Einfuhr von Gegenständen aus der Schweiz nach Österreich von der Mehrwertsteuer im Hinblick auf ihre Verbringung nach Bulgarien.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der Vorlageentscheidung zufolge wurden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anmeldungen zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr im Zeitraum vom 10. Dezember 2010 bis zum 5. Juli 2011 eingereicht. Da die Mehrwertsteuerrichtlinie u. a. durch die Richtlinie 2009/69, deren Umsetzungsfrist am 1. Januar 2011 endete, geändert wurde, sind auf das Ausgangsverfahren die Mehrwertsteuerrichtlinie und die geänderte Mehrwertsteuerrichtlinie anwendbar.

Mehrwertsteuerrichtlinie

Rz. 4

Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

d) die Einfuhr von Gegenständen.”

Rz. 5

Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat.”

Rz. 6

In Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der [Europäischen Union] versandt oder befördert werden[,] von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

(2) Außer den in Absatz 1 genannten Lieferungen befreien die Mitgliedstaaten auch folgende Umsätze von der Steuer:

c) die Lieferungen von Gegenständen in Form der Verbringung i...

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