Entscheidungsstichwort (Thema)
Sondermaßnahme zur Entstehung der Umsatzsteuer bei Tabakwaren, Verlust von Steuerbanderolen, Ablehnung der Erstattung der Mehrwertsteuer/Verbrauchsteuer nicht unzulässig
Leitsatz (amtlich)
1. Weder die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern die Mitgliedstaaten am Erlass einer Regelung, wonach in dem Fall, dass Verbrauchsteuerzeichen vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen verschwunden sind, sofern dieses Verschwinden nicht auf höhere Gewalt oder Unfall zurückzuführen ist und nicht nachgewiesen ist, dass die Steuerzeichen vernichtet oder endgültig unbrauchbar gemacht worden sind, der entrichtete Verbrauchsteuerbetrag nicht zu erstatten ist und somit das finanzielle Risiko des Verlustes von Steuerzeichen dem Erwerber zugewiesen wird.
2. Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Nichteinhaltung der Mitteilungsfrist keinen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt, der zur Unanwendbarkeit der verspätet mitgeteilten abweichenden Maßnahme führen kann.
3. Artikel 27 Absätze 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass eine Sonderregelung der Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerzeichen wie die des Artikels 28 der Wet op de omzetbelasting vom 28. Juni 1968 mit den in diesen Richtlinienbestimmungen vorgesehenen Anforderungen vereinbar ist und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen.
4. Das Fehlen einer Verpflichtung zur Erstattung der für den Erwerb von Verbrauchsteuerzeichen gezahlten, der Mehrwertsteuer entsprechenden Beträge in dem Fall, dass diese Steuerzeichen vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen verschwunden sind, sofern dieses Verschwinden nicht auf höhere Gewalt oder Unfall zurückzuführen ist und nicht nachgewiesen ist, dass die Steuerzeichen vernichtet oder endgültig unbrauchbar gemacht worden sind, ist nicht mit der Sechsten Richtlinie 77/388, insbesondere deren Artikel 27 Absätze 1 und 5, unvereinbar.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 27; EWGRL 12/92
Beteiligte
Heintz van Landewijck SARL |
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 26.11.2004) |
Tatbestand
„Steuerrecht ‐ Harmonisierung ‐ Richtlinie 92/12/EWG ‐ Verbrauchsteuer ‐ Steuerzeichen ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 2 und 27 ‐ Verschwinden von Steuerbanderolen“
In der Rechtssache C-494/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,
eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 26. November 2004, beim Gerichtshof eingegangen am gleichen Tag, in dem Verfahren
Heintz van Landewijck SARL
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter), S. von Bahr, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Heintz van Landewijck SARL, vertreten durch A. E. van der Voort Maarschalk und R. Meijer, advocaten,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und A. Weimar als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2006
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1, im Folgenden: Verbrauchsteuerrichtlinie) sowie der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), insbesondere von Artikel 27 Absätze 1 und 5.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Heintz van Landewijck SARL (im Folgenden: Landewijck) und dem Staatssecretaris van Financiën (im Folgenden: Staatssecretaris). Die Landewijck verlangt von diesem Erstattung der Beträge, die sie für Verbrauchsteuerzeichen entrichtet hat, die vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen, für die sie bestimmt waren, verschwunden sind.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Artikel 6 der Verbrauchsteuerrichtlinie, die na...