Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Rechnung, Verlust des Vorsteuerabzugsrechts bei fehlerhaften Rechnungsangaben
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 167, 178 Buchst. a, 220 Nr. 1 und 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien, dann entgegenstehen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 167, 178, 220 Nr. 1, Art. 226
Beteiligte
APEH Központi Hivatal Hatósági Foosztály Dél-dunántúli Kihelyezett Hatósági Osztály |
Verfahrensgang
Baranya Megyei Bíróság (Ungarn) (Urteil vom 31.08.2009; ABl. EU 2010, Nr. C 11/13) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Nationale Regelung, die eine falsche Angabe auf der Rechnung mit dem Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug ahndet“
In der Rechtssache C-368/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Baranya Megyei Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 31. August 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 14. September 2009, in dem Verfahren
Pannon Gép Centrum kft
gegen
APEH Központi Hivatal Hatósági Főosztály Dél-dunántúli Kihelyezett Hatósági Osztály
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und B. D. Simon als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Buchst. a und 22 Abs. 3 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 (ABl. 2002, L 15, S. 24) geänderten Fassung.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pannon Gép Centrum kft und der Steuerbehörde APEH Központi Hivatal Hatósági Főosztály Dél-dunántúli Kihelyezett Hatósági Osztály (im Folgenden: APEH) über die Entscheidung der APEH, es der Klägerin des Ausgangsverfahrens zu verwehren, von dem von ihr geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag die auf die ihr erbrachten Dienstleistungen entfallende Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) hat gemäß ihren Art. 411 und 413 die Mehrwertsteuervorschriften der Union, insbesondere die Sechste Richtlinie, mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt. Nach ihrem ersten und ihrem dritten Erwägungsgrund war eine Neufassung der Sechsten Richtlinie erforderlich, um alle anwendbaren Bestimmungen im Rahmen einer umgestalteten Struktur und eines umgestalteten Wortlauts klar und wirtschaftlich darzustellen, wobei grundsätzlich keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden sollten. Die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 und die entsprechenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie sind somit im Wesentlichen identisch.
Rz. 4
Nach Art. 167 der Richtlinie 2006/112, der den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie wiedergibt, „[entsteht d]as Recht auf Vorsteuerabzug …, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.
Rz. 5
Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112, der im Wesentlichen den gleichen Wortlaut wi...