Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit. Pacht eines Jagdgebiets. Regionale Abgabe. Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit. Grundsatz der Gleichbehandlung
Beteiligte
Landesregierung Vorarlberg |
Tenor
Es ist mit den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999, vereinbar, einen Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei in Bezug auf die Erhebung einer Abgabe, die für eine Dienstleistung wie die Überlassung eines Jagdrechts geschuldet wird, als Dienstleistungsempfänger anders zu behandeln als Personen mit Hauptwohnsitz im Inland und Unionsbürger sowie Personen, die diesen nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellt sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 21. Jänner 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2009, in dem Verfahren
Alexander Hengartner,
Rudolf Gasser
gegen
Landesregierung Vorarlberg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Hengartner und Herrn Gasser, vertreten durch Rechtsanwalt A. Wittwer,
- der Vorarlberger Landesregierung, vertreten durch J. Müller als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl, E. Pürgy und W. Hämmerle als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und T. Scharf als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Mai 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Bestimmungen des Anhangs I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999 (ABl. 2002, L 114, S. 6).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den schweizerischen Staatsangehörigen Hengartner und Gasser einerseits und der Landesregierung Vorarlberg andererseits wegen der Erhebung einer Jagdabgabe unter Anwendung eines höheren Abgabensatzes gegenüber ihnen als insbesondere gegenüber den Angehörigen der Europäischen Union.
Rechtlicher Rahmen
Abkommen über die Freizügigkeit
Rz. 3
Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Schweizerische Eidgenossenschaft andererseits unterzeichneten am 21. Juni 1999 sieben Abkommen, darunter das Abkommen über die Freizügigkeit (im Folgenden: Abkommen). Diese sieben Abkommen wurden mit dem Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 4. April 2002 (ABl. L 114, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft gebilligt und traten am 1. Juni 2002 in Kraft.
Rz. 4
Zu den Zielen des Abkommens gehört u. a. nach seinem Art. 1 Buchst. a und b die Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere der Erbringung kurzzeitiger Dienstleistungen.
Rz. 5
Art. 2 dieses Abkommens („Nichtdiskriminierung”) sieht vor:
„Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.”
Rz. 6
Art. 4 („Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit”) des Abkommens lautet:
„Das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit wird vorbehaltlich des Artikels 10 nach Maßgabe des Anhangs I eingeräumt.”
Rz. 7
Art. 5 des Abkommens enthält Bestimmungen über die Erbringung von Dienstleistungen. Nach Art. 5 Abs. 3 wird „[n]atürlichen Personen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft oder der Schweiz sind und sich nur als Empfänger einer Dienstleistung in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei begeben, … das Einreise- und Aufenthaltsrecht eingeräumt”. Nach Art. 5 Abs. 4 werden die in Art. 5 genannten Recht...