Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Kapitalverkehr. Kapitalverkehr im Sinne von Artikel 73b des Vertrages. Begründung einer Hypothek. Einbeziehung (EG-Vertrag, Artikel 73b; Richtlinie 88/361 des Rates). Beschränkungen. Verbot der Begründung einer Hypothek in der Währung eines anderen Mitgliedstaats durch einen Mitgliedstaat. Unzulässigkeit. Keine Rechtfertigung (EG-Vertrag, Artikel 73b)
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang der Richtlinie 88/361 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, die ihren Hinweischarakter, den sie vor der Ersetzung der Artikel 67 bis 73 EWG-Vertrag durch die Artikel 73b ff. EG-Vertrag hatte, ungeachtet dessen behält, daß die Richtlinie auf die Artikel 69 und 70 Absatz 1 EWG-Vertrag gestützt ist, geht hervor, daß sowohl die Liquidation einer Immobilieninvestition (Rubrik II der Nomenklatur) als auch Bürgschaften, andere Garantien und Pfandrechte (Rubrik IX der Nomenklatur) Kapitalverkehr im Sinne von Artikel 73b des Vertrages darstellen. Da eine Hypothek zum einen unmittelbar mit der Liquidation einer Immobilieninvestition verbunden ist und zum anderen als klassisches Instrument zur Sicherung eines Darlehens im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf eine andere Garantie darstellt, fällt sie unter Artikel 73b des Vertrages, der Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verbietet.
2. Artikel 73b des Vertrages steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der eine Hypothek zur Sicherung einer in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zahlbaren Forderung in inländischer Währung eingetragen werden muß, wobei kein Betrag eingetragen werden kann, der höher als der Wert ist, den die Forderung am Tag der Stellung des Antrags in inländischer Währung hat.
Eine solche Regelung ist nämlich als Beschränkung des Kapitalverkehrs einzustufen, da der Zusammenhang zwischen der zu sichernden Forderung, die in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zahlbar ist, und der Hypothek, deren Wert infolge späterer Währungsschwankungen geringer sein kann als der Wert der zu sichernden Forderung, gelockert wird, was die Wirksamkeit und somit die Attraktivität einer solchen Sicherheit zwangsläufig verringert. Sie ist daher geeignet, die Betroffenen davon abzuhalten, eine Forderung in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zu bezeichnen, was ein Bestandteil des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs ist.
Die durch die in Rede stehende Regelung geschaffene Verpflichtung, für die Bestellung der Hypothek die inländische Währung zu verwenden, kann im übrigen nicht durch einen zwingenden Grund des Gemeinwohls, der darin besteht, die Vorhersehbarkeit und die Transparenz des Grundpfandrechtssystems zu gewährleisten, gerechtfertigt werden. Zwar ist ein Mitgliedstaat berechtigt, sein Grundpfandrechtssystem so zu gestalten, daß es die Rechte der Hypothekengläubiger untereinander sowie die Rechte sämtlicher Hypothekengläubiger einerseits und die Rechte sämtlicher anderer Gläubiger andererseits in sicherer und transparenter Weise festlegt, doch darf die erwähnte Regelung nicht den nachrangigen Gläubigern Gewißheit über den Betrag der vorrangigen Forderungen und damit über den Wert der ihnen gebotenen Sicherheit nur um den Preis der Unsicherheit der Inhaber von Forderungen in ausländischer Währung geben.
Normenkette
Richtlinie 88/361/EWGEGV Art. 177
Beteiligte
Manfred Trummer und Peter Mayer |
Tenor
Artikel 73b EG-Vertrag steht einer nationalen Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art entgegen, nach der eine Hypothek zur Sicherung einer in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zahlbaren Forderung in inländischer Währung eingetragen werden muß.
Tatbestand
In der Rechtssache
C-222/97
...
erlässt
der Gerichtshof
folgendes
Urteil:
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom 27. Mai 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 73b EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Rz. 2
Diese Frage stellt sich im Verfahren über den Revisionsrekurs der Herren Trummer und Mayer gegen die Entscheidung, mit der die Einverleibung (Eintragung in das Grundbuch) einer in DM angegebenen Hypothek abgelehnt wurde.
Rz. 3
Mit Vertrag vom 14. November 1995 verkaufte der in Deutschland wohnende Revisionsrekurswerber Mayer einen in Sankt Stefan im Rosenthal, Österreich, gelegenen Liegenschaftsanteil an den in Österreich wohnhaften Revisionsrekurswerber Trummer, wobei der Kaufpreis in DM angegeben war. Gleichzeitig stundete er diesem den Kaufpreis bis zum 31. Dezember 2000 ohne Verzinsung und Wertsicherung, doch wurde die pfandrechtliche Sicherung der Kaufpreisforderung vereinbart.
Rz. 4
Am 1. Juli 1996 wurde beim Bezirksgericht Feldbach ein Grundbuchsgesuch auf Einverleibung des Vorgangs im Grundbuch von Sankt Stefan im Rosenthal eingebracht. Das Gesuch wurde in bezug auf das Miteigentum bewilligt, hinsichtlich ...