Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom. Steuerbefreiung für kleine Stromerzeuger, sofern der erzeugte elektrische Strom besteuert wird. Fehlen einer innerstaatlichen Steuer auf den Stromendverbrauch während einer gewährten Übergangsfrist. Pflicht, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse bzw. verwendeten elektrischen Strom von der Steuer zu befreien
Normenkette
EGRL 96/2003 Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 S. 2, Art. 14 Abs. 1 Buchst. a, Art. 18 Abs. 10 Unterabs. 2
Beteiligte
Ministre de l'Action et des Comptes publics |
Verfahrensgang
Conseil d'Etat (Frankreich) (Beschluss vom 13.04.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 211/18) |
Tenor
Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung für kleine Stromerzeuger, sofern die zur Stromerzeugung verwendeten Energieerzeugnisse abweichend von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie besteuert werden, von der Französischen Republik während der ihr durch Art. 18 Abs. 10 Unterabs. 2 der Richtlinie bis zum 1. Januar 2009 eingeräumten Übergangsfrist, in der sie das in der Richtlinie vorgesehene System der Besteuerung von elektrischen Strom nicht eingeführt hat, nicht angewandt werden durfte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 13. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2018, in dem Verfahren
UPM France SAS
gegen
Premier ministre,
Ministre de l'Action et des Comptes publics,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der UPM France SAS, vertreten durch G. de Cordes, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und A. Alidière als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und C. Perrin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. Mai 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a und Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der UPM France SAS (im Folgenden: UPM) auf der einen Seite sowie dem Premier ministre (Premierminister, Frankreich) und dem Ministre de l'Action et des Comptes publics (Minister für staatliches Handeln und öffentliche Haushalte, Frankreich) wegen der Besteuerung von Lieferungen von Erdgas, das für die Kraft-Wärme-Kopplung bestimmt ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2 bis 5, 24 und 25 der Richtlinie 2003/96 heißt es:
„(2) Das Fehlen von Gemeinschaftsbestimmungen über eine Mindestbesteuerung für elektrischen Strom und Energieerzeugnisse mit Ausnahme der Mineralöle kann dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abträglich sein.
(3) Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Erreichung der Ziele der anderen Gemeinschaftspolitiken erfordern die Festsetzung von gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträgen für die meisten Energieerzeugnisse einschließlich elektrischen Stroms, Erdgas und Kohle.
(4) Erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erweisen.
(5) Durch die Festsetzung angemessener gemeinschaftlicher Mindeststeuerbeträge lassen sich die derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Steuersätzen möglicherweise verringern.
…
(24) Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, bestimmte weitere Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen anzuwenden, sofern dies nicht das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt oder zu Wettbewerbsverzerrungen führt.
(25) Insbesondere die Kraft-Wärme-Kopplung und – im Hinblick auf die Förderung des Einsatzes alternativer Energiequellen – erneuerbare Energieträger können Anspruch auf eine Vorzugsbehandlung haben.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie 2003/96 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrisch...