Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, nationale Ausschlussfrist von drei Jahren für die Erstattung von Vorsteuerüberhängen
Leitsatz (amtlich)
Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen, die eine Ausschlussfrist von drei Jahren für die Einreichung eines Antrags auf Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses vorsieht, der von den Steuerbehörden dieses Staates zu Unrecht eingenommen wurde, nicht entgegensteht.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 18 Abs. 4
Beteiligte
Verfahrensgang
Augstakas tiesas Senats (Lettland) (Urteil vom 23.10.2008; Abl.EU 2008, Nr. C 327/21) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 18 Abs. 4 ‐ Nationale Regelung, die eine Ausschlussfrist von drei Jahren für die Erstattung von Mehrwertsteuerüberschüssen vorsieht“
In der Rechtssache C-472/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Augstãkãs Tiesas Senãts (Lettland) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2008, in dem Verfahren
Alstom Power Hydro
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter E. Levits, A. Borg Barthet und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Alstom Power Hydro, vertreten durch V. Gencs, advokãts,
‐ der Valsts ieņēmumu dienests, vertreten durch D. Jakãns und I. Pētersone als Bevollmächtigte,
‐ der lettischen Regierung, vertreten durch D. Jakãns, K. Drēviņa und E. Eihmane als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von M. Angiolini, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Sauka und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Alstom Power Hydro (im Folgenden: Alstom), der lettischen Tochtergesellschaft der Gesellschaft Alstom Hydro France, und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerverwaltung, im Folgenden: VID) wegen der Erstattung eines Überschusses der von Alstom gezahlten Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Die Sechste Richtlinie
Rz. 3
Art. 18 Abs. 2 bis 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(2) Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Erklärungszeitraum schuldet, den Betrag der Steuer absetzt, für die das Abzugsrecht entstanden ist, und wird nach Absatz 1 während des gleichen Zeitraums ausgeübt.
…
(3) Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen und Einzelheiten fest, nach denen einem Steuerpflichtigen gestattet werden kann, einen Abzug vorzunehmen, den er nach den Absätzen 1 und 2 nicht vorgenommen hat.
(4) Übersteigt der Betrag der zulässigen Abzüge den Betrag der für einen Erklärungszeitraum geschuldeten Steuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen, oder ihn nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.
Die Mitgliedstaaten können jedoch regeln, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.“
Nationales Recht
Rz. 4
Nach Art. 12 Abs. 10 des Likums par pievienotãs vērtìbas nodokli (Umsatzsteuergesetz, Latvijas Vēstnesis, 1995, Nr. 49, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) kann der Steuerpflichtige beantragen, dass die zu Unrecht gezahlte Mehrwertsteuer mit anderen Steuer- oder Abgabenschulden verrechnet wird.
Rz. 5
Der VID verfügt nach Art. 12 Abs. 11 dieses Gesetzes nach Eingang eines ordnungsgemäß begründeten Antrags des Steuerpflichtigen, dem Belege beigefügt sind, über 30 Tage zur Erstattung des Steuerüberschusses.
Rz. 6
Die Steuerpflichtigen können nach Art. 16 Abs. 10 des Likums par nodokliem un nodevãm (Steuer- und Abgabengesetz, Latvijas Vēstnesis, 1995, Nr. 26, im Folgenden: Steuer- und Abgabengesetz), das für alle Steuern und Abgaben gilt, ihren Antrag auf Erstattung zu viel gezahlter Steuern innerhalb einer Fr...