Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Zinserlöse, Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung, Ungleichbehandlung von Zinserlösen von gebietsansässigen und gebietsfremden Tochtergesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach einer gebietsansässigen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, soweit Letztere die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, aber die Steuerbefreiung, die sich aus der Anwendung der eigenen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über die Unterkapitalisierung ergibt, ausschließt, wenn die Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.
Normenkette
AEUV Art. 49, 54
Beteiligte
Masco Denmark ApS, Damixa ApS |
Verfahrensgang
Vestre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 16.12.2014; Abl.EU 2015, Nr. C 73/17) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Steuervorschriften im Bereich der Unterkapitalisierung der Tochtergesellschaften ‐ Einbeziehung der von einer Darlehen nehmenden nicht gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Darlehenszinsen in den steuerpflichtigen Gewinn einer Darlehen gebenden Gesellschaft ‐ Steuerbefreiung der von einer Darlehen nehmenden gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen ‐ Ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten ‐ Notwendigkeit, der Steuerfluchtgefahr vorzubeugen“
In der Rechtssache C-593/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Berufungsgericht der Region West, Dänemark) mit Entscheidung vom 16. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 2014, in dem Verfahren
Masco Denmark ApS,
Damixa ApS
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter) sowie der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Masco Denmark ApS und der Damixa ApS, vertreten durch J. Krogsøe, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigten im Beistand von S. Horsbøl Jensen, advokat,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Clausen und W. Roels als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2016
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 54 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Masco Denmark ApS und der Damixa ApS auf der einen und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) auf der anderen Seite wegen der Entscheidung der nationalen Steuerbehörde, in den steuerpflichtigen Gewinn einer Darlehen gebenden Muttergesellschaft mit Sitz in Dänemark die von einer Darlehen nehmenden Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland gezahlten Zinsen einzubeziehen, die nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung vom steuerpflichtigen Gewinn dieser Tochtergesellschaft nicht abgezogen werden können.
Rechtlicher Rahmen
Dänisches Recht
Rz. 3
Gemäß § 4 Buchst. e des Lov om Indkomst- og Formueskat til Staten (Gesetz über die staatliche Einkommen- und Vermögensteuer) muss eine dänische Gesellschaft Zinseinkünfte grundsätzlich versteuern.
Rz. 4
Dänische Gesellschaften können nach § 6 Buchst. e dieses Gesetzes Zinsaufwendungen generell abziehen.
Rz. 5
Das Recht der Gesellschaften, die Zinsaufwendungen abzuziehen, ist jedoch nach § 11 des Lov om indkomstbeskatning af aktieselskaber m.v. (Selskabsskattelov) (Körperschaftsteuergesetz, im Folgenden: SSL) im Fall der Unterkapitalisierung beschränkt. § 11 Abs. 1 sah in seiner auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerjahre anwendbaren Fassung vor:
„Wenn eine Gesellschaft oder eine Vereinigung
1. unter § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 2a, 2d bis g und 3a bis 5b fällt[, d. h. für steuerliche Zwecke in Dänemark ansässig ist];
2. Verbindlichkeiten gegenüber in § 2 Abs. 1 des [Lov om påligningen af indkomstskat til staten oder Ligningslov (Steuerbemessungsgesetz)] aufgeführten juristischen Personen[, d. h. eine Verbindlichkeit gegenüber Gesellschaftern oder Gesellschaften desselben Konzerns, im Folgenden: kontrollierte Verbindlichkeiten,] hat;
3. und das Fremdkapital (die Verbindlichkeiten) der Gesellschaft oder der Vereinigung im Verhältnis zum Eigenkapital der Gesellschaft am Ende des Steuerjahrs einen Betrag erreicht, der das Verhältnis von 4:1 zum Eigenkapital übersteigt;
können Zinsaufwendungen oder Verluste für...