Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe mit Umsatzsteuercharakter, Steuer auf den Besitz von Kundeneinlagen bei Kreditinstituten, Regionale direkte Steuer, Andalusien

 

Normenkette

AEUV Art. 49; EGRL 112/2006 Art. 401; AEUV Art. 63 Abs. 1

 

Beteiligte

Novo Banco

Novo Banco SA

Junta de Andalucía

 

Verfahrensgang

Tribunal Supremo (Spanien) (Beschluss vom 16.07.2019; ABl. EU 2019, Nr. C 423/25)

 

Tenor

1. Bei Abzügen vom Bruttobetrag einer Steuer, mit der Kundeneinlagen bei Kreditinstituten mit Hauptsitz oder Niederlassungen in einer Region eines Mitgliedstaats belastet werden, ist die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit dahin auszulegen, dass sie

  • dem entgegensteht, dass vom Bruttobetrag dieser Steuer ein Abzug in Höhe von 200 000 Euro zugunsten derjenigen Kreditinstitute vorgenommen wird, die ihren Sitz in dieser Region haben;
  • dem nicht entgegensteht, dass vom Bruttobetrag dieser Steuer Abzüge in Höhe von 5 000 Euro für jede Niederlassung in dieser Region vorgenommen werden und dieser Abzug sich für jede Niederlassung in einer Gemeinde mit weniger als 2 000 Einwohnern auf 7 500 Euro erhöht, solange diese Abzüge nicht faktisch zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung aufgrund des Sitzes der betroffenen Kreditinstitute führen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er im Fall einer Steuer auf Kundeneinlagen bei Kreditinstituten mit Hauptsitz oder Niederlassungen in einer Region eines Mitgliedstaats dem entgegensteht, dass der Betrag, der auf Kredite, Darlehen und Anlagen entfällt, die Vorhaben in dieser Region zugutekommen, vom Bruttobetrag dieser Steuern abgezogen wird, sofern mit diesen Abzügen ein rein wirtschaftliches Ziel verfolgt wird.

2. Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, durch die eine Steuer auf den Besitz von Kundeneinlagen bei Kreditinstituten eingeführt wird, deren Besteuerungsgrundlage dem arithmetischen Mittel des vierteljährlichen Saldos dieser Einlagen entspricht und die vom Steuerpflichtigen nicht auf Dritte abgewälzt werden darf.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 16. Juli 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24. September 2019, in dem Verfahren

Novo Banco SA

gegen

Junta de Andalucía

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Novo Banco SA, vertreten durch J. Igual Gorgonio und A. Morillo Méndez, abogados,
  • der Junta de Andalucía, vertreten durch A. Velázquez Párraga, letrada,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und N. Gossement als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 56 und 63 AEUV sowie der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie), insbesondere ihres Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und ihres Art. 401.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Novo Banco SA und der Junta de Andalucía (Regionalregierung von Andalusien, Spanien) über die Frage, ob diese Gesellschaft der Steuer auf Kundeneinlagen bei in Andalusien ansässigen Kreditinstituten (impuesto sobre los depósitos de clientes en las entidades de crédito de Andalucía, im Folgenden: IDECA) unterliegt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

d) Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen”.

Rz. 4

Art. 401 dieser Richtlinie lautet:

„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.”

Spanisches Recht

Rz. 5

Mit Art. 6 der Ley 11/2010 de medidas fiscales par...

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