Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Familienbeihilfe. Versagung. Inländerin, die mit ihrem Kind in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, während der Vater des Kindes im Inland arbeitet
Beteiligte
Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Wien |
Tenor
1. Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine geschiedene Person, die von dem zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in dem sie gewohnt hat und in dem ihr früherer Ehegatte weiterhin lebt und arbeitet, Familienbeihilfe erhalten hat, für ihr Kind, sofern es als Familienangehöriger des früheren Ehegatten im Sinne von Art. 1 Buchst. f Ziff. i dieser Verordnung anerkannt ist, den Anspruch auf diese Beihilfe beibehält, obwohl sie diesen Staat verlässt, um sich mit ihrem Kind in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, in dem sie nicht berufstätig ist, und obwohl der frühere Ehegatte die betreffende Beihilfe in seinem Wohnmitgliedstaat beziehen könnte.
2. Übt eine Person, die sich in einer Situation wie derjenigen der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens befindet, im Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes eine Berufstätigkeit aus, die tatsächlich einen Anspruch auf Familienleistungen begründet, so ruht gemäß Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem ihr früherer Ehegatte berufstätig ist, geschuldeten Familienleistungen bis zur Höhe des in den Rechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Betrags.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 25. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 7. August 2008, in dem Verfahren
Romana Slanina
gegen
Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Wien
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.-C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, K. Schiemann (Berichterstatter) und P. Kuris,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Slanina, vertreten durch Rechtsanwalt M. Tröthandl,
- des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Wien, vertreten durch W. Pavlik als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Winkler als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch S. Vodina und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Slanina, einer geschiedenen österreichischen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz nach Griechenland verlegt hat, und dem Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien, wegen der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, die sie in Österreich für ihre Tochter erhalten hatte.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
In Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 wird der Begriff „Familienangehöriger” definiert als
„jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. …”
Rz. 4
Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung Nr. 1408/71
„für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitglieds...