Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unternehmensübergang. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Arbeitsvertrag. Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die Vereinbarung von Klauseln gestatten, die auf Tarifverträge nach dem Zeitpunkt des Übergangs verweisen. Wirksamkeit gegenüber dem Erwerber
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 3
Beteiligte
Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt |
Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH |
Asklepios Dienstleistungsgesellschaft mbH |
Tenor
Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen in Verbindung mit Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Betriebsübergangs die Fortgeltung der sich für den Veräußerer aus einem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten auf die zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer privatautonom vereinbarte Klausel erstreckt, wonach sich ihr Arbeitsverhältnis nicht nur nach dem zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden Kollektivvertrag, sondern auch nach den diesen nach dem Übergang ergänzenden, ändernden und ersetzenden Kollektivverträgen richtet, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 17. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2015, in den Verfahren
Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH
gegen
Ivan Felja (C-680/15)
und
Asklepios Dienstleistungsgesellschaft mbH
gegen
Vittoria Graf (C-681/15)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH und der Asklepios Dienstleistungsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwältin A. Dziuba und Rechtsanwalt W. Lipinski,
- von Ivan Felja und Vittoria Graf, vertreten durch R. Buschmann als Rechtsbeistand,
- des Königreichs Norwegen, vertreten durch C. Anker, C. Rydning und P. Wennerås als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Januar 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16) sowie von Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen Ivan Felja bzw. Vittoria Graf (im Folgenden zusammen: Arbeitnehmer) auf der einen und der Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH bzw. der Asklepios Dienstleistungsgesellschaft mbH (im Folgenden zusammen: Asklepios) auf der anderen Seite über die Anwendung eines Kollektivvertrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. 1998, L 201, S. 88) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/187).
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 sieht vor:
„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.”
Rz. 5
In Art. 3 der Richtlinie heißt es:
„(1) Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
…
(3) Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen beg...