Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Vorsteuerberichtigung, Gebäudelieferung vor Unionsbeitritt, Bulgarien, Nichtigkeit eines Gebäudekaufvertrags
Leitsatz (amtlich)
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der vom Administrativen sad ‐ Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) vorgelegten Fragen nicht zuständig.
Normenkette
EGRL 112/2006
Beteiligte
Direktor na Direktsia Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite |
Verfahrensgang
Administrativen sad Varna (Bulgarien) (Beschluss vom 07.06.2017; Abl.EU 2017, Nr. C 269/13) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Vor dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Europäischen Union bewirkte Lieferung einer Immobilie ‐ Nach dem Beitritt festgestellte Nichtigkeit des Kaufvertrags ‐ Verpflichtung zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs ‐ Auslegung ‐ Zuständigkeit des Gerichtshofs“
In der Rechtssache C-364/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad ‐ Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2017, in dem Verfahren
„Varna Holideis“ EOOD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der „Varna Holideis“ EOOD, vertreten durch M. Popov, advokat,
‐ des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Petkov als Bevollmächtigten,
‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und T. Mitova als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, P. Mihaylova und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 90 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Varna Holideis“ EOOD und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) über die Berichtigung des Abzugs der von diesem Unternehmen beim Erwerb eines Hotelgebäudes als Vorsteuer entrichteten Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“
Rz. 4
Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.“
Rz. 5
Art. 179 dieser Richtlinie sieht vor:
„Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.
… “
Rz. 6
Art. 184 der Richtlinie lautet:
„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“
Rz. 7
Art. 185 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.
(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder...