Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Vertretung betroffener Personen durch eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht. Klage eines Verbands zur Wahrung von Verbraucherinteressen ohne Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einer betroffenen Person. Auf das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken, die Verletzung eines Verbraucherschutzgesetzes oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gestützte Klage
Normenkette
EUVO 679/2016 Art. 80
Beteiligte
Meta Platforms Ireland Limited |
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V |
Tenor
Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2020, in dem Verfahren
Meta Platforms Ireland Limited, vormals Facebook Ireland Limited,
gegen
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richter J. Passer und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin) sowie des Richters N. Wahl,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2021,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Meta Platforms Ireland Limited, vertreten durch Rechtsanwälte H.-G. Kamann, M. Braun und H. Frey sowie Rechtsanwältin V. Wettner,
- des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., vertreten durch Rechtsanwalt P. Wassermann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch D. Klebs und J. Möller als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, G. Kunnert und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, C. Vieira Guerra, P. Barros da Costa und L. Medeiros als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch F. Erlbacher, H. Kranenborg und D. Nardi, dann durch F. Erlbacher und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Dezember 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, im Folgenden: DSGVO).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Meta Platforms Ireland Limited, vormals Facebook Ireland Limited, mit Sitz in Irland und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland) (im Folgenden: Bundesverband) deswegen, weil Meta Platforms Ireland gegen die deutschen Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten verstoßen habe und damit eine unlautere Geschäftspraxis vorgenommen sowie gegen ein Verbraucherschutzgesetz und das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen habe.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
DSGVO
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 9, 10, 13 und 142 DSGVO heißt es:
„(9) Die Ziele und Grundsätze der Richtlinie 95/46/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31)] besitzen nach wie vor Gültigkeit, doch hat die Richtlinie nicht verhindern können, dass d...