Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verbraucherschutz. Datenschutz. Onlinekaufverträge mit in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verbrauchern. Missbräuchliche Klauseln. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Klausel enthalten, durch die das Recht des Mitgliedstaats gewählt wird, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Bestimmung des bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen im Rahmen einer Unterlassungsklage anzuwendenden Rechts. Bestimmung des Rechts, dem die Verarbeitung personenbezogener Daten der Verbraucher unterliegt
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 864/2007; Verordnung (EG) Nr. 593/2008; Richtlinie 93/13/EWG; Richtlinie 95/46/EG
Beteiligte
Verein für Konsumenteninformation |
Tenor
1. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sind dahin auszulegen, dass unbeschadet des Art. 1 Abs. 3 beider Verordnungen das auf eine Unterlassungsklage im Sinne der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, die sich gegen die Verwendung vermeintlich unzulässiger Vertragsklauseln durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen richtet, das im elektronischen Geschäftsverkehr Verträge mit Verbrauchern abschließt, die in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere im Staat des angerufenen Gerichts, ansässig sind, anzuwendende Recht nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 zu bestimmen ist, während das bei der Beurteilung einer bestimmten Vertragsklausel anzuwendende Recht stets anhand der Verordnung Nr. 593/2008 zu bestimmen ist, unabhängig davon, ob diese Beurteilung im Rahmen einer Individualklage oder einer Verbandsklage vorgenommen wird.
2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 593/2008 auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre; dies hat das nationale Gericht im Licht aller relevanten Umstände zu prüfen.
3. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein im elektronischen Geschäftsverkehr tätiges Unternehmen dem Recht jenes Mitgliedstaats unterliegt, auf den das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet, wenn sich zeigt, dass das Unternehmen die fragliche Datenverarbeitung im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung vornimmt, die sich in diesem Mitgliedstaat befindet. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob dies der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 9. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 27. April 2015, in dem Verfahren
Verein für Konsumenteninformation
gegen
Amazon EU Sàrl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter D. Švaby, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und M. Vilaras,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer,
- der Amazon EU Sàrl, vertreten durch Rechtsanwalt G. Berrisch,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, A. Lippstreu, M. Hellmann, T. Laut und J. Mentgen als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gray, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und J. Vondung als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2016
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