Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bei marktüblichem Entgelt
Leitsatz (redaktionell)
Nach dem Urteil verstößt die Regelung in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG über die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage in bestimmten Fällen gegen das Gemeinschaftsrecht. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG ist eine sogenannte Sondermaßnahme zur Verhütung von Steuerumgehungen und Steuerhinterziehungen gemäß Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie. Nach der EuGH-Entscheidung ist § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG bei entgeltlichen Leistungen zwischen nahestehenden Personen dann unverhältnismäßig und somit nicht von Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie gedeckt, wenn das vereinbarte Entgelt zwar niedriger als die Kosten i.S. des Artikels 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (entspricht § 10 Abs. 4 UStG) aber marktüblich ist. Bei einem marktüblichen Entgelt kommt also die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG nicht in Betracht.
Beteiligte
Finanzamt Bergisch Gladbach |
Nachgehend
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
„Steuerrecht – Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Besteuerungsgrundlage – Persönliche Beziehungen zwischen dem Erbringer und dem Empfänger von Dienstleistungen”
In der Rechtssache C-63/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Bundesfinanzhof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Finanzamt Bergisch Gladbach
gegen
Werner Skripalle,
Beteiligter: Bundesministeriumder Finanzen,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABI. L 145, S.1)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida sowie der Richter L. Sevón, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet und P. Jann (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Fennelly
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten,
der französischen Regierung, vertreten durch Catherine de Salins, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und Gautier Mignot, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Jürgen Grunwald und Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Werner Skripalle, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Conscience, Bochum-Querenburg, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder, der französischen Regierung, vertreten durch Gautier Mignot, der niederländischen Regierung, vertreten durch Marc Fierstra, stellvertretender Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch Jürgen Grunwald, in der Sitzung vom 22. Januar 1997, nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 1997,
folgendes
Urteil
1
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABl. L 145, S.1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Finanzamt Bergisch Gladbach (im folgenden: Finanzamt) und Herrn Skripalle wegen der Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer bei persönlichen Beziehungen zwischen dem Erbringer und dem Empfänger von besteuerten Leistungen.
3
Laut Vorlagebeschluß ist Herr Skripalle Eigentümer eines von ihm errichteten Mehrfamilienhauses und mehrerer Eigentumswohnungen. Er vermietete diese Objekte an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafter sein volljähriger Sohn und seine Ehefrau mit Anteilen je zu 1/2 waren. Seine Ehefrau war auch die alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin dieser Gesellschaft.
4
Was die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf Mieteinkünfte angeht, sieht das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung von 1980 (BGBl. I S.1953) in § 10 Absatz 1 als Regelfall vor:
„Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 1) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.”
§ 10 Absatz 4 UStG sieht Ausnahmen von diesem Regelfall für den Eigenverbrauch vor, für...