Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Pro-Rata-Regelung, Hilfsumsätze, Immobilienverkäufe eines Bauunternehmens, Steuerbarkeit selbst hergestellter Wirtschaftsgüter
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass im Fall eines Bauunternehmens der von diesem für eigene Rechnung durchgeführte Verkauf von Immobilien nicht als „Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ eingestuft werden kann, da diese Tätigkeit die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit dieses Unternehmens darstellt. Daher braucht nicht konkret beurteilt zu werden, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
2. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität steht dem nicht entgegen, dass ein Bauunternehmen, das Mehrwertsteuer auf die Bauleistungen entrichtet, die es für eigene Rechnung durchführt (Lieferungen an sich selbst), die Vorsteuer für die durch die Erbringung dieser Dienstleistungen entstandenen Gemeinkosten nicht abziehen kann, wenn der Umsatz aus dem Verkauf der auf diese Weise erstellten Bauwerke von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 19 Abs. 2
Beteiligte
NCC Construction Danmark A/S |
Verfahrensgang
Østre Landsret (Dänemark) (Urteil vom 17.04.2008; Abl.EU 2008, Nr. C171/25) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 19 Abs. 2 ‐ Vorsteuerabzug ‐ Gemischt Steuerpflichtiger ‐ Gegenstände und Dienstleistungen, die zugleich für besteuerte und für steuerfreie Tätigkeiten verwendet werden ‐ Berechnung des Pro‐rata‐Satzes des Vorsteuerabzugs ‐ Begriff der Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte ‐ Lieferungen an sich selbst ‐ Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer“
In der Rechtssache C-174/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Østre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 17. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2008, in dem Verfahren
NCC Construction Danmark A/S
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der NCC Construction Danmark A/S, vertreten durch B. Møll Pederson, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte im Beistand von D. Auken, advokat,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und S. Schønberg als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juni 2009
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und der Bedeutung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der NCC Construction Danmark A/S (im Folgenden: NCC) gegen das Skatteministerium (Ministerium für Steuern), in dem es um das Recht auf teilweisen Abzug der Vorsteuer geht, das NCC für ihre Gemeinkosten beanspruchen kann.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
Rz. 4
Art. 5 Abs. 7 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten können einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellen:
a) die Zuordnung eines im Rahmen seines Unternehmens hergestellten, gewonnenen, be- oder verarbeiteten, gekauften oder eingeführten Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens, falls ihn der Erwerb eines solchen Gegenstands von einem anderen Steuerpflichtigen nicht zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigen würde.“
Rz. 5
Art. 6 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, können die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 auch die Durchführung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen für das eigene Unternehmen in den Fällen einer Dienstleistung geg...