Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die – durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise – zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
2. Falls "Nahrungsmittel" i.S.d. Anhangs H Kategorie 1 der 6. EG-RL auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:
Ist Art. 6 Abs. 1 S. 1 der 6. EG-RL dahin auszulegen, dass darunter die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Mahlzeiten fällt, die der Abnehmer unter Inanspruchnahme von Verzehrvorrichtungen, wie z.B. Ablagebrettern, Stehtischen oder Ähnlichem, an Ort und Stelle verzehrt und nicht mitnimmt?
Normenkette
§ 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Nrn. 28, 31, 32, 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993/1999, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1996 bis 1999 mehrere Imbissstände. Er verkaufte verzehrfertige Speisen, wie z.B. Bratwurst, Currywurst, Pommes frites. An den Imbissständen waren Ablagebretter angebracht.
Der Kläger unterwarf seine Umsätze dem ermäßigten Steuersatz.
Das FA war der Auffassung, die an Ort und Stelle verzehrten Speisen seien dem Regelsteuersatz zu unterwerfen und schätzte deren Anteil auf 80 %.
Das FG Münster wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 13.11.2007, 15 K 194/04 U, Haufe-Index 1956228, EFG 2008, 647).
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die im Leitsatz aufgeführten Fragen zu Vorabentscheidung vorgelegt. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Nach den in den Streitjahren des Besprechungsfalls (1996 bis 1999) geltenden Vorschriften des UStG unterlagen die Leistungen der Betreiber von Imbissständen nicht dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz, wenn die Speisen nicht mitgenommen, sondern an Ort und Stelle verzehrt und dabei besondere Vorrichtungen für den Verzehr in Anspruch genommen wurden.
Zwar ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der der Anlage zum UStG die Steuer z.B. für die Lieferung von verschiedenen Lebensmittelzubereitungen.
Aber gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 UStG in der bis zum 26.06.1998 geltenden Fassung galt der ermäßigte Steuersatz "nicht für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert, wenn sie nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden".
Der BFH hat entschieden, dass Ablagebretter Vorrichtungen im Sinn dieser Vorschrift sind (BFH, Urteil vom 16.03.2000, V R 27/99, BFH/NV 2000, 1171).
2. Der EuGH hatte mit Urteil vom 02.05.1996, C-231/94, Faaborg-Gelting Linien (Haufe-Index 60635, BStBl II 1998, 282) die Auffassung vertreten, Restaurationsumsätze in Form der Abgabe von Mahlzeiten zum Verzehr an Bord von Fährschiffen seien als Dienstleistungen anzusehen. Die Abgaben von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr sei das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen (Rd.Nr. 13).
Der deutsche Gesetzgeber nahm dies zum Anlass für eine Gesetzesänderung. Er hob mit Wirkung vom 27.06.1998 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 UStG auf, fügte in § 3 Abs. 9 UStG die S. 4 und 5 ein und bestimmte, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung sei.
Dies hat nichts daran geändert, dass nach nationalem Recht die Abgabe von Speisen, die an Ort und Stelle unter Inanspruchnahme von Stehtischen oder Ablagebrettern verzehrt wurden, dem Regelsteuersatz unterliegt. Denn der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt nur für die Lieferung von Lebensmitteln, nicht aber für sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG.
3. Die in § 3 Abs. 9 S. 4 und 5 UStG getroffene Regelung wäre dann nicht gemeinschaftsrechtskonform, wenn es sich bei der Abgabe von Speisen durch den Betreiber eines Imbissstands bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht um eine sonstige Leistung, sondern – entsprechend der bis zur Gesetzesänderung getroffenen Regelung – um eine Lieferung handeln würde.
Ein eventueller Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht wäre auch von Bedeutung. Denn läge bei zutreffender gemeinschaftsrechtlicher Beurteilung keine sonstige Leistung, sondern eine Lieferung vor, wäre § 3 Abs. 9 S. 4 und 5 UStG zugunsten des Unternehmers nicht anzuwenden. Die Lieferung von Speisen zum sofortigen Verzehr wäre – da die bisherige Sonderregelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 UStG aufgehoben worden ist – dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.
Es sind jedoch Zweifel daran aufgekommen, ob verz...