Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 14a Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er dem danach nicht zuständigen Mitgliedstaat jedenfalls dann die Befugnis nimmt, nach seinem nationalen Recht dem nur vorübergehend in seinem Gebiet beschäftigten Arbeitnehmer Familienleistungen zu gewähren, wenn weder der Arbeitnehmer selbst noch seine Kinder in dem nicht zuständigen Staat wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten?
Normenkette
§§ 62ff. EStG, Art. 14a Abs. 1 Buchst. a, Art. 76 VO Nr. 1408/71, Art. 10 VO Nr. 574/72
Sachverhalt
Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, ist in Polen als selbstständiger Landwirt tätig und sozialversichert. Vom 20.08.2007 bis zum 07.12.2007 arbeitete er als Saisonarbeitnehmer bei einem Gartenbauunternehmen in Deutschland und wurde für 2007 antragsgemäß nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.
Die Familienkasse lehnte seinen Antrag ab, ihm für August bis Dezember 2007 für seine beiden Kinder Kindergeld zu gewähren. Einspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2010, 16 K 3244/08 Kg, Haufe-Index 2370907).
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH zur Klärung der sich aus dem Bosmann-Urteil ergebenden kollisionsrechtlichen Problematik angerufen.
Hinweis
1. Die Frage, ob die Eingliederung in ein anderes Sozialrechtsstatut nach der VO Nr. 1408/71 dem Anspruch auf deutsches Kindergeld entgegensteht, obwohl die Voraussetzungen der §§ 62 ff. EStG erfüllt sind, stellte sich in diesem Streitfall bei einem Saisonarbeiter. Dieser stand im Gegensatz zum Kläger der Sache III R 5/09 (BFH/NV 2011, 360, BFH/PR 2011, 90), einem entsandten Arbeitnehmer, zwar für dreieinhalb Monate in einem deutschen Arbeitsverhältnis, verblieb aber währenddessen auch im polnischen Sozialrechtsstatut. Auf die vorstehende Besprechung wird verwiesen.
2. Wenn Kollisionsrecht nicht entgegensteht und Kindergeld durch Personen beansprucht wird, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sondern sich auf die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht berufen (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG), dann können sich zwei vom BFH bisher nicht beantworteten Fragen stellen:
Muss eine ESt-Veranlagung aufgrund des § 1 Abs. 3 EStG erfolgt sein oder genügt auch eine Veranlagung in der Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht wegen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG im Kindergeldverfahren dargetan werden (u.a. Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde, § 1 Abs. 3 S. 5 EStG)? Die Verwaltung fordert insoweit die Bescheinigung des Betriebs-FA oder den Bescheid des FA, mit dem dieses über den Antrag auf unbeschränkte ESt-Pflicht entschieden hat (DA-FamEStG 62.1. Abs. 3).
Besteht der Anspruch auf Kindergeld nur für die Monate, in denen sich der Berechtigte im Inland aufgehalten hat, oder für das ganze Jahr, da weder § 1 Abs. 3 EStG noch § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG eine Anwesenheit im Inland erfordern?
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 21.10.2010 – III R 35/10