Leitsatz
Zum Begriff des mit einer Krankenhausbehandlung und einer ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatzes i.S. v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL:
1. Muss es sich bei dem eng verbundenen Umsatz um eine Dienstleistung gem. Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL handeln?
2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Liegt ein mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz nur vor, wenn dieser Umsatz durch denselben Steuerpflichtigen erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung erbringt?
3. Falls Frage 2 zu verneinen ist: Liegt ein eng verbundener Umsatz auch dann vor, wenn die Heilbehandlung nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL, sondern nach Buchst. c dieser Bestimmung steuerfrei ist?
Normenkette
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b 6. EG-RL, § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 2005, §§ 116, 116a SGB V
Sachverhalt
Sog. ermächtigte Ärzte behandelten Krebspatienten ambulant in dem Krankenhaus, in dem sie angestellt waren, und verwendeten Zytostatika der Krankenhausapotheke. Ob diese Lieferungen steuerfrei sind, ist Gegenstand des BFH-Verfahrens (Vorinstanz: FG Münster, Urteil vom 12.5.2011, 5 K 435/09 U, Haufe-Index 2827211, EFG 2011, 1470).
Entscheidung
Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Das Verfahren ist ausgesetzt bis zur Entscheidung des EuGH.
Hinweis
1. Bei einer medizinischen Unterversorgung in einem Gebiet können angestellte Krankenhausärzte ermächtigt werden, gegenüber Krankenkassen im Krankenhaus ambulant Patienten als selbstständig tätige Ärzte zu behandeln und dementsprechend die Leistungen selbstständig abzurechnen. Benützen sie Zytostatika aus der Krankenhausapotheke, liegen zwei Leistungen unterschiedlicher Unternehmer vor: die Lieferung des Medikaments durch das Krankenhaus – über dessen Apotheke – und die Heilbehandlung des Arztes; beide Leistungen jeweils erbracht an die Krankenkasse. Bei ambulanter Behandlung durch das Krankenhaus selbst liegt demgegenüber nur eine – einheitliche – Leistung eines Unternehmers, des Krankenhauses, vor.
2. Die Steuerbefreiungen von Heilbehandlungen in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b und c der 6. EG-RL unterscheiden sich hinsichtlich der befreiten Leistung darin, dass nach Buchst. b (Krankenhausbehandlung) nicht nur die Heilbehandlung selbst, sondern auch die damit "eng verbundenen" Umsätze befreit sind. Verabreicht der niedergelassene Arzt oder das Krankenhaus zur Behandlung eines Patienten z.B. ein Medikament oder verwendet z.B. Verbandmaterial, liegt eine Nebenleistung vor, soweit er zuvor an ihn gelieferte Medikamente bei der Behandlung verwendet.
3. Die Rechtsprechung des EuGH ist hinsichtlich der Kriterien für die "eng verbundenen Umsätze" in Buchst. b nicht eindeutig. Sind das nur Dienstleistungen oder auch Lieferungen? Sind es "Nebenleistungen", wie in einer Entscheidung erwähnt, stellt sich die Frage, weshalb es der ausdrücklichen Erwähnung der "eng verbundenen Umsätze" in der Richtlinie bedarf. Auch liegen Nebenleistungen grundsätzlich nur dann vor, wenn diese neben der Hauptleistung vom selben Unternehmer erbracht werden. Sind "eng verbundene Leistungen" auch Leistungen anderer Unternehmer, stellt sich die Frage der Grenzen (nur unerlässliche Leistungen?) und vor allem auch die der Neutralität der Mehrwertsteuer – einmal in Bezug auf Befreiung in Buchst. c und dann in Bezug auf die Abgabe von Medikamenten durch Apotheken, deren Lieferungen nicht befreit sind, sondern nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
4. Die Entscheidung des EuGH hat auch Bedeutung für die Krankenhausbehandlung gegenüber Privatpatienten, wenn der Chefarzt seine Heilbehandlung und das Krankenhaus die übrigen Leistungen gegenüber dem Patienten abrechnen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 15.5.2012 – V R 19/11