Leitsatz
1. Kommt es nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 24.10.1996, C 317/94, Elida Gibbs (Slg. 1996, I 5339), auch dann zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlage im Rahmen einer Vertriebskette, wenn ein Vermittler (hier: Reisebüro) dem Empfänger (hier: Reisekunde) des von ihm vermittelten Umsatzes (hier: Leistung des Reiseveranstalters an den Reisekunden) einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet?
2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind die Grundsätze des EuGH-Urteils Elida Gibbs in Slg. 1996, I 5339 auch dann anzuwenden, wenn nur der vermittelte Umsatz des Reiseveranstalters, nicht aber auch die Vermittlungsleistung des Reisebüros der Sonderregelung nach Art. 26 der 6. EG-RL unterliegt?
3. Falls auch die zweite Frage zu bejahen ist: Ist ein Mitgliedstaat, der Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-RL zutreffend umgesetzt hat, im Fall der Steuerfreiheit der vermittelten Leistung nur dann berechtigt, eine Minderung der Besteuerungsgrundlage zu versagen, wenn er in Ausübung der in dieser Bestimmung enthaltenen Ermächtigung zusätzliche Bedingungen zur Versagung der Minderung geschaffen hat?
Normenkette
Art. 11, 26 der 6. EG-RL, §§ 17, 25 UStG 1999/2005
Sachverhalt
Die Klägerin vermittelte gegen Provision Reiseleistungen von Reiseveranstaltern an Kunden, die der Sonderregelung gem. Art. 26 der 6. EG-RL unterlagen, und gewährte Preisnachlässe, die im Ergebnis ihre Provisionen entsprechend schmälerten. Soweit die durch die Reiseveranstalter erbrachten Leistungen nach Art. 26 Abs. 3 der 6. EG-RL steuerfrei waren, lehnte das FA eine Minderung der Bemessungsgrundlage zugunsten der Klägerin nach § 17 UStG ab. Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.3.2011, 5 K 3298/08 U, Haufe-Index 2754140, EFG 2011, 2022). FA und Klägerin legten Revision ein.
Entscheidung
Die EuGH-Entscheidung (Az. C-300/12) bleibt abzuwarten; sie hat Bedeutung für alle Vermittlungsleistungen, wenn der Vermittler den Kunden einen Rabatt einräumt.
Hinweis
Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der BFH hatte diese auf der EuGH-Entscheidung Elida Gibbs beruhenden Grundsätze auch auf Vermittlungsleistungen angewandt.
Der BFH hat Zweifel, ob seine bisherige Auslegung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass Vermittlungsleistungen nicht – wie vom EuGH vorausgesetzt – Teil einer "Vertriebskette" sind, bei der "gleichartige Waren" (oder Dienstleistungen) mehrfach und unter denselben steuerlichen Bedingungen geliefert werden. Das ist bei Vermittlungsleistungen im Verhältnis zur vermittelten Reiseleistung nicht der Fall. Denn die für Reiseleistungen geltende Sonderregelung nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 der 6. EG-RL (vgl. § 25 UStG) ist nicht auf Vermittlungsleistungen anwendbar. Hinzukommt, dass der Vermittler in diesen Fällen möglicherweise die Bemessungsgrundlage nur aufgrund der Kalkulationsgrundlagen des Reiseveranstalters, nicht aber allein aufgrund seiner eigenen Unterlagen ermitteln kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.4.2012 – V R 18/11