a) Mehrwertsteuer-Ausschuss
Keine Reaktion in Deutschland: Dieses Urteil fand – sinnvollerweise – zunächst in den nationalen Verwaltungsanweisungen und in der nationalen Rechtsprechung keine Beachtung.
Besprechung auf EU-Ebene: Allein der Mehrwertsteuerausschuss beschäftigte sich auf Anregung von Dänemark in seiner Sitzung vom 12.4.2019 – immerhin fast zwei Jahre nach dem EuGH-Urteil – mit dem Thema. Die dänischen Behörden hatten sich – anders als die deutschen Behörden – mit den betroffenen Unternehmen in Kontakt gesetzt und sich davon ein Bild verschafft, welche möglichen Auswirkungen das EuGH, Urt. v. 29.6.2017 auf die Praxis haben könnte. Mit den Antworten der Unternehmen hatten sie sich dann an den MwSt-Ausschuss gewandt. Die betreffende Arbeitsunterlage gibt einen Einblick in die ersten Fragestellungen und ist durchaus lesenswert. Die Leitlinien hingegen, zu denen sich der Ausschuss in Reaktion hierauf durchringen konnte, waren leider relativ nichts sagend und stellten lediglich eine Wiederholung der recht allgemeinen Entscheidungssätze des EuGH-Urteils dar.
b) Deutsche Finanzverwaltung – Schreiben vom 6.2.2020
Erste Neuregelung: Die deutsche Finanzverwaltung überraschte die Fachwelt dann – leider ohne vorherige Anhörung der Praxis – am 6.2.2020 mit einer Änderung des UStAE, indem sie Abschn. 4.3.2. Abs. 4 UStAE neu fasste und dort einfügte, dass die Steuerbefreiung grundsätzlich nur für die Leistung des Hauptfrachtführers, nicht aber für die Leistungen der Unterfrachtführer in Betracht komme, da diese die Beförderungsleistungen nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger der Gegenstände erbrächten, sondern an den Hauptfrachtführer.
Zeitpunkt: Warum die Änderung zu diesem Zeitpunkt erfolgte, erschließt sich nicht. An den Feststellungen des MwSt-Ausschusses – soweit diese überhaupt konkrete Aussagen enthalten – kann es eigentlich nicht gelegen haben. Das BMF hat schließlich klargestellt, dass dessen Leitlinien für die nationalen Steuerverwaltungen keine rechtliche Bindungswirkung haben.
Zu weitgehend: Inhaltlich jedenfalls schoss das BMF mit diesen Änderungen insofern erst einmal über das Ziel hinaus als Abschn. 4.3.2. UStAE sich auf alle grenzüberschreitenden Beförderungen bezieht, die im Zusammenhang mit einer Ausfuhr, einer Durchfuhr oder einer Einfuhr stehen. Von einem "Unmittelbarkeitserfordernis" im Zusammenhang mit der Einfuhr hatte der EuGH aber in seiner Entscheidung nichts gesagt.
Nichtbeanstandung wg. bestehender Zweifelsfragen: Da sich außerdem aufgrund der etwas schmalen Aussagen in der Neufassung des UStAE für die Praxis eine ganze Reihe von Fragen stellten, deren Beantwortung für die Anwendung relevant waren, wurde im Folgenden verwaltungsseitig zugestanden, dass die Anwendung der bis zum Schreiben vom 6.2.2020 geltenden "alten" Verwaltungsgrundsätze nicht beanstandet werde (zunächst bis zum 31.12.2020 und dann bis zum 31.12.2021). Einzelne Unternehmen begannen allerdings bereits die neue Verwaltungsauffassung "umzusetzen", manche von ihnen – den Anweisungen folgend – sowohl für Dienstleistungen i.Z.m. der Aus- als auch der Einfuhr.
c) Schreiben vom 27.9.2021
Zweite Neuregelung: Nach 1 ½ jähriger Bedenkphase veröffentlichte das BMF dann mit Schreiben vom 27.9.2021 den nächsten Teil der geänderten Verwaltungsauffassung. Hiermit wurde zunächst einmal die Änderung in Abschn. 4.3.2. Abs. 4 UStAE wieder kassiert. Stattdessen wurden die neuen Regelungen nun – zumindest formell halbwegs zutreffend – in Abschn. 4.3.4. UStAE eingefügt, der sich mit den grenzüberschreitenden Beförderungen und anderen sonstigen Leistungen befasst, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr oder der Durchfuhr beziehen (also mehr oder weniger den Leistungen, die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL geregelt werden). Außerdem wurden in dem neuen Abschn. 4.3.4. Abs. ...