OFD Frankfurt, Verfügung v. 30.8.2007, S 7103 b A - 9 - St 16
Bezug: FinMin Hessen vom 2.3.2000, S 7096 A – 1 – II A 4a
Es ist gefragt worden, ob Bedienstete der Europäischen Zentralbank, die ihren Wohnsitz aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die Bundesrepublik Deutschland verlegt haben,
- die Fahrzeugeinzelbesteuerung nach § 1b UStG durchführen müssen, wenn sie im Rahmen ihres Umzugs neue Fahrzeuge in die Bundesrepublik Deutschland verbringen,
- ggf. hierfür die Steuerbefreiung nach § 4b UStG in Anspruch nehmen können.
Hierzu ist folgende Auffassung zu vertreten:
1. Steuerbarkeit des innergemeinschaftlichen Erwerbs
Erwirbt eine Privatperson ein neues Fahrzeug und gelangt dieses bei der Lieferung aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates, unterliegt dieser entgeltliche innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs der Umsatzbesteuerung in dem anderen EU-Mitgliedstaat (Fahrzeugeinzelbesteuerung, § 1b und § 18 Abs. 5a UStG). Dabei ist es gleichgültig, ob das neue Fahrzeug vom Erwerber selbst oder vom Lieferer in den anderen EU-Mitgliedstaat verbracht wird.
Zu der umsatzsteuerlichen Problematik, ob das Fahrzeug bei der Lieferung an den Abnehmer aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates gelangt, wird auf die Umsatzsteuerkarteikarte OFD Ffm zu § 1b – S 7103b – Karte 5 (S 7103b A – 1 – St 16) verwiesen.
Zu den allgemeinen Ausführungen zu den Tatbestandsmerkmalen der Fahrzeugeinzelbesteuerung vgl. Umsatzsteuerkarteikarte OFD Ffm zu § 1b – S 7103b – Karte 1 (S 7103b A – 1 – St 16).
Handelt es sich hiernach bei dem von dem Bediensteten der Europäischen Zentralbank in das Inland überführten Fahrzeug um ein neues Fahrzeug i.S. des § 1b Abs. 3 UStG, ist ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 1b Abs. 1 UStG gegeben.
2. Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4b Nr. 3 UStG
Nach § 4b Nr. 3 UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen steuerfrei, wenn deren Einfuhr nach den für die Einfuhrumsatzsteuer geltenden Vorschriften (§ 5 UStG, Art. 143 der MwStSysRL) steuerfrei wäre. Als Befreiungsvorschrift im Rahmen von internationalen Übereinkommen kommen dabei das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB-Sitzstaatabkommen) und das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (Allgemeines Privilegienprotokoll) in Betracht.
2.1 EZB-Sitzabkommen
Nach Art. 10 Satz 1 des EZB-Sitzstaatabkommens werden Bedienstete der EZB und die in ihrem Haushalt lebenden Familienmitglieder bei erstmaliger Aufnahme ihrer Beschäftigung „hinsichtlich der Einfuhr von in ihrem Besitz befindlichem Übersiedlung von der Zahlung von Einfuhrabgaben befreit”. Satz 2 von Artikel 10 lautet: „Das Gleiche gilt für Kraftfahrzeuge, jedoch hinsichtlich deren Einfuhr aus Drittländern nur, wenn sie dort vor der Einfuhr mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten von dem Bediensteten benutzt worden sind.” Des Weiteren ist das Kraftfahrzeug in der Regel innerhalb von zwölf Monaten nach der ersten Einreise aus dem Gemeinschaftsgebiet oder Drittland in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen.
Der BFH entschied in seinem Urteil vom 28.9.2006, V R 65/03 (veröffentlicht im BStBl 2007 II S. 672), dass der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeug durch Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank und deren Angehörige dann nach § 4b Nr. 3 UStG in Verbindung mit Art. 10 des EWI-Sitzabkommens steuerfrei zu stellen ist, wenn sich das neue Fahrzeug bei der „Einfuhr” ins Inland im Besitz der Begünstigten befindet und die „Einfuhr” innerhalb von 12 Monaten nach der ersten Einreise des Begünstigten erfolgt.
Das Kraftfahrzeug muss sich demnach nicht bereits „bei der erstmaligen Aufnahme der Beschäftigung” im Besitz der Begünstigten befunden haben, sondern hat sich entsprechend des Wortlauts des Art. 10 Satz 1 EZB-Sitzabkommen lediglich bei der „Einfuhr” im Besitz der Begünstigten zu befinden. So gilt auch die Einschränkung, dass der Bedienstete das Kraftfahrzeug vor der Einfuhr sechs Monate genutzt haben muss, nicht für eine „Einfuhr” aus dem Gemeinschaftsgebiet.
Der BFH wies in seinem Urteil darauf hin, dass die Gewährung der Steuerbefreiung zwar zu einem unversteuerten Endverbrauch und damit zu einer Ungleichbehandlung führt, die Vertragsparteien diese Vorrechte und Befreiungen im Rahmen des EZB-Sitzstaatsabkommen jedoch willentlich in Kauf genommen haben.
Einspruchsverfahren, welche aufgrund des o.g. Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO ruhen, sind nunmehr zum Abschluss zu bringen.
2.2 Allgemeines Privilegienprotokoll
Wurde das Kfz erst 12 Monate nach der ersten Einreise des Bediensteten der EZB in die Bundesrepublik Deutschland erworben, ist eine Steuerfreiheit des Fahrzeugerwerbs nach dem Allgemeinen Privilegienprotokoll zu überprüfen.
Art. 12 Buchst. e des Allgemeinen Privilegienprotokolls sieht vor, dass Beamte und sonstige Bedienstet...