Zusammenfassung
Mit der umsatzsteuerlichen Binnenmarktregelung einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine spezielle Sonderregelung für die Lieferung neuer Fahrzeuge an nichtsteuerpflichtige Abnehmer. Hintergrund waren die befürchteten Wettbewerbsverzerrungen wegen der Existenz unterschiedlicher Steuersätze in einer Spannbreite von gegenwärtig 10 Prozentpunkten. Bei der Lieferung neuer Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet wird umsatzsteuerrechtlich auch jede für Zwecke der Umsatzsteuer nicht erfasste natürliche oder juristische Person zum Unternehmer. Die Lieferung erfolgt steuerfrei. Der innergemeinschaftliche Erwerb ist steuerpflichtig und berechtigt beim Weiterverkauf sogar zum anteiligen Vorsteuerabzug, wenn das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch die Kriterien eines Neufahrzeugs erfüllt. Daraus ergeben sich besondere Aufzeichnungs- und Deklarationspflichten sowohl für den gewerblichen Händler als auch für den ansonsten nicht steuerpflichtigen "Lieferer" und Abnehmer.
Die wichtigsten Rechtsquellen bzw. Verwaltungsanweisungen sind §§ 1b, 1c, 2a, 15 Abs. 4a, 18 Abs. 5a UStG, Abschn. 1b.1, 1c.1, 16.3, 18.9, 18c.1 UStAE, §§ 1 – 5 FzgLiefgMeldV.
1 Definition neuer Fahrzeuge
Als "neue Fahrzeuge" gelten
- motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 kW für Personen- oder Güterbeförderung,
- Wasserfahrzeuge mit einer Länge von mehr als 7,5 m,
- Luftfahrzeuge, deren Starthöchstmasse mehr als 1.550 kg beträgt,
wenn
- das Landfahrzeug nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht länger als 6 Monate zurückliegt,
- das Wasserfahrzeug nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt hat oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht länger als 3 Monate zurückliegt,
- das Luftfahrzeug nicht mehr als 40 Betriebsstunden genutzt worden ist oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht länger als 3 Monate zurückliegt.
Die o. g. Kriterien werden alternativ definiert. Ein Pkw ist demnach immer noch neu, wenn er bereits 15.000 km gelaufen ist, aber seine erste Inbetriebnahme zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet z. B. erst 3 Monate zurückliegt.
Betroffene Fahrzeuge
Von der Sonderregelung werden generell alle Landfahrzeuge erfasst, die der Personen- und Güterbeförderung dienen. Ausgeschlossen sind demnach Wohnwagen, Packwagen und Anhänger ohne eigenen Antrieb, selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, die von ihrer Bestimmung her nicht für den Güter- oder Personentransport geeignet sind.
Wegen der noch erheblichen Unterschiede in den Preisen (abzüglich der Umsatzsteuer) und der Häufigkeit in der Abwicklung hat die Sonderregelung beim Kauf und Verkauf von Personenkraftwagen die größte Bedeutung.
Neben dem Handel mit Personenkraftwagen sind selbstverständlich auch Verkäufe von Motorrädern, Motorrollern, Mopeds, motorbetriebenen Wohnmobilen und Caravans betroffen. Der Handel mit Lastkraftwagen richtet sich wohl eher an gewerbliche Abnehmer. Ausgenommen von der Definition sind selbstfahrende Arbeitsmaschinen (z. B. Lader, Bagger und Kehrmaschinen) sowie landwirtschaftliche Zugmaschinen.
2 Rechtsfolgen
2.1 Steuerfreiheit beim Fahrzeuglieferer
Die Sonderregelung, also auch die Definition des "neuen Fahrzeugs" ist nur anzuwenden, wenn ein die Kriterien erfüllendes Fahrzeug
- von einem gewerblichen Händler an einen nichtsteuerpflichtigen Abnehmer (nicht im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder
- durch einen nichtsteuerpflichtigen Lieferanten (Privatperson, nichtunternehmerisch tätige juristische Person, Kleinunternehmer, durchschnittsbesteuernder Land- und Forstwirt) an Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet
geliefert wird. In beiden Fällen unterliegt die Fahrzeuglieferung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der Bezug beim Abnehmer der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs.
Lieferschwelle bei Gebrauchtfahrzeugen beachten
Ein im Inland ansässiger gewerblicher Pkw-Händler, der ein Neufahrzeug oder auch ein Gebrauchtfahrzeug an einen in Frankreich ansässigen Unternehmer liefert, der im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist, hat die Lieferung wie eine normale innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Beliefert er aber einen in Frankreich ansässigen Abnehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kommt die Sonderregelung bei Neufahrzeugen zur Anwendung. Bei Gebrauchtfahrzeugen gilt es in diesem Fall, die Lieferschwelle für Frankreich zu beachten, wenn für den Ankauf des Fahrzeugs durch den Händler ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte. Andernfalls kann unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 UStG (Warenankauf erfolgte ohne die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug) die Differenzbesteuerung auch für derartige Lieferungen in das übrige Geme...