Dem erneuten – identischen – Änderungsantrag kann die Bestandskraft der vorausgehenden Ablehnungsentscheidung entgegengehalten werden. Denn es ist zu beachten, dass der Bescheid, mit dem das FA den ersten Änderungsantrag abgelehnt hat, als Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO ebenfalls Bindungswirkung und Bestandskraft entfaltet. Die materielle Bestandskraft eines Verwaltungsaktes dient der Effektivität der Verwaltung. Eine einmal getroffene Entscheidung soll deswegen nicht erneut infrage gestellt werden dürfen (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 130 AO Rz. 12 ff.). Daher schließt die bestandskräftige Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung einen erneuten Antrag aus (BFH v. 30.4.2019 – V B 43/17 Rz. 8, juris, zur Vorsteuervergütung).
Dem steht die Entscheidung des BFH zum Änderungsantrag nach § 172 S. 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nach einer Einspruchsentscheidung nicht entgegen. Denn der BFH hat seine Entscheidung für den Fall einer vorausgehenden Einspruchsentscheidung u.a. damit begründet, dass die erneute Thematisierung des identischen Problems in einem nachgehenden schlichten Änderungsantrag nicht zu einer theoretisch unendlichen Verkettung von neuen Anträgen und behördlichen Entscheidungen führt, sondern es in diesem Fall maximal zu einer zweimaligen Befassung der Finanzbehörde mit derselben inhaltlichen Frage kommen kann: einmal im Einspruchsverfahren und ein weiteres Mal im Verfahren über den Änderungsantrag. Dies wäre bei unbeschränkt möglichen Wiederholungsanträgen nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO anders. Die Reduzierung auf ein nur einmaliges Antragsrecht durch teleologische Reduktion erscheint demnach auch weiterhin notwendig.
Beraterhinweis Das wiederum verlangt dem Steuerpflichtigen die Entscheidung ab, ob dem Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides entgegengetreten werden soll, ob also ein gegen die Ablehnungsentscheidung gerichtetes Einspruchs- und ggf. fortführend ein hiergegen gerichtetes Klageverfahren geführt werden soll, jeweils unter Inkaufnahme einer damit verbundenen Kostenlast bzw. eines daraus resultierenden Kostenrisikos. Der Steuerpflichtige kann diese Entscheidung – trotz des weiterhin bestehenden Vorbehaltes der Nachprüfung – nicht aufschieben und sich für eine später wiederholende Antragstellung vorbehalten.
Bei einer vorausgegangenen gerichtlichen Entscheidung zum ersten Änderungsantrag regelt § 110 Abs. 1 FGO eine personen- und sachverhaltsbezogene Bindungswirkung, die gem. § 110 Abs. 2 FGO auch bei einer etwaigen späteren Anwendung von Änderungsvorschriften zu beachten ist. Dementsprechend steht die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über einen Vorbehaltsbescheid einer Änderung des Bescheids entgegen, solange kein neuer Sachverhalt festgestellt wird (BFH v. 24.10.2006 – I B 41/06 Rz. 4, juris).