BZSt v. 20.12.2011, St II 2 - S 2282-PB/11/00002, BStBl I 2012, 40
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder im Familienleistungsausgleich sind durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (StVereinfG 2011) vom 1.11.2011 (BGBl 2011 I S. 2131) neu geregelt worden. Ergänzend zum BMF-Schreiben vom 7.12.2011, BStBl 2011 I S. 1318 ergeht folgende Weisung:
1 Allgemeines
Für das steuerliche Kindergeld sind insbesondere die nachfolgend aufgeführten Rechtsänderungen von Bedeutung:
- Die Einkünfte- und Bezügegrenze in § 32 Abs. 4 Satz 2 bis 10 EStG 2011 entfällt mit Ablauf des 31.12.2011.
- Ab dem 1.1.2012 werden Kinder, die eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen haben und einen Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllen, nach § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG nur berücksichtigt, wenn sie keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Unschädlich ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Zur Anwendung siehe Abschnitt 2.
- Die Korrekturnorm § 70 Abs. 4 EStG wird ab dem 1.1.2012 aufgehoben und ist nach § 52 Abs. 62a EStG noch für Anspruchszeiträume bis einschließlich 31.12.2011 anzuwenden. Zur Anwendung siehe Abschnitt 3.2.
- Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a EStG ist rückwirkend ab dem 1.1.2011 auf 1.000 EUR erhöht worden. Zur Anwendung siehe Abschnitt 3.2.
2 Materielles Recht
§ 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG hat ab 2012 folgenden Wortlaut:
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„Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.” |
2.1 Erstmalige Berufsausbildung und Erststudium
Zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Erstmalige Berufsausbildung” und „Erststudium” wird auf Abschnitt 2 des BMF-Schreibens vom 7.12.2011, BStBl 2011 I S. 1318 verwiesen.
Ergänzend dazu weise ich darauf hin, dass der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG so auszulegen ist, dass bereits bei Vorliegen eines der beiden Tatbestandsmerkmale (Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder Abschluss eines Erststudiums) die Prüfung einer schädlichen Erwerbstätigkeit nach den Sätzen 2 und 3 erfolgen muss.
2.2 Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals „für einen Beruf ausgebildet werden” zum Tatbestandsmerkmal „Berufsausbildung”
Ungeachtet der Änderungen durch das StVereinfG 2011 bleiben die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG unverändert.
Die Tatbestände „für einen Beruf ausgebildet werden” nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und „Berufsausbildung” nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind zu unterscheiden. Die zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG sind lediglich nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (oder eines Erststudiums) zu prüfen.
Der Tatbestand „Berufsausbildung” nach Satz 2 ist gegenüber Satz 1 enger gefasst. Es handelt sich bei einer „Berufsausbildung” im Sinne des Satzes 2 stets auch um eine Maßnahme, in der das Kind nach Satz 1 „für einen Beruf ausgebildet wird”. Jedoch ist nicht jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme gleichzeitig auch eine „Berufsausbildung”. Der Abschluss einer solchen Maßnahme soll nicht bereits dazu führen, dass ein Kind, das danach weiterhin die Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt, nur noch unter den weiteren Voraussetzungen der Sätze 2 und 3 berücksichtigt wird.
Beispiel 1
Nach dem Abitur absolvierte ein 20-jähriges Kind ein Praktikum. Danach kann es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen und geht zur Überbrückung einer Erwerbstätigkeit nach (30 Wochenstunden).
In der Zeit zwischen Praktikum und Beginn der Berufsausbildung erfüllt das Kind den Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStG. § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG ist nicht einschlägig, da das Praktikum zwar das Tatbestandsmerkmal des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG („für einen Beruf ausgebildet werden”) erfüllt, jedoch keine „Berufsausbildung” i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG darstellt. Der Kindergeldanspruch besteht somit unabhängig davon, wie viele Stunden das Kind in der Woche arbeitet.
2.3 Unschädlichkeit einer Erwerbstätigkeit
Das Beispiel in Abschnitt 3 des BMF-Schreibens vom 7.12.2011, BStBl 2011 I S. 1318 regelt den Fall, dass eine Ausweitung der Beschäftigung auf über 20 Wochenstunden unbeachtlich ist, wenn sie
- vorübergehend ist, d.h. nicht mehr als zwei Monate andauert, und
- die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt.
Ergänzend dazu gilt Folgendes:
Führt eine vorübergehende (höchstens zwei ...