BfF v. 19.10.1999, St I 4 - S 2471 - 181/99, BStBl. 1999 I S. 958
Umsetzung der Urteile des BFH vom 9.6.1999, VI R 33/98, VI R 34/98, VI R 50/98, VI R 92/98, VI R 143/98 und VI R 16/99
Der BFH hat in den oben genannten Urteilen grundsätzliche Ausführungen zum Begriff der Ausbildung für einen Beruf i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG gemacht, die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abweichen. Es gilt nunmehr folgendes:
- Sprachaufenthalte im Ausland, z.B. im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses, können grundsätzlich als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von wöchentlich mindestens zehn Unterrichtsstunden begleitet werden. Es ist nicht erforderlich, dass Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch genommen werden.
- Zur Berufsausbildung gehört auch der zeitlich begrenzte Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen wie Grund-, Haupt- und Oberschulen sowie von Fach- und Hochschulen im Ausland (z.B. im Rahmen von Schüleraustauschprogrammen oder eines akademischen Jahres an einem amerikanischen College). Es kommt nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme für den angestrebten Beruf unverzichtbare Voraussetzung ist oder auf ein deutsches Studium angerechnet wird.
- Das Anwaltspraktikum eines Jurastudenten ist Berufsausbildung, weil dadurch Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dies gilt unabhängig davon, ob das Praktikum nach der maßgeblichen Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist. Es ist unschädlich, wenn das Kind für das Praktikum von einem Studium beurlaubt wird.
- Eine Volontärtätigkeit, die ein ausbildungswilliges Kind vor Annahme einer voll bezahlten Beschäftigung gegen geringe Entlohnung absolviert, ist als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn das Volontariat der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation dient und somit der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht. Es darf sich dagegen nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis handeln.
- Die Vorbereitung auf das Doktorexamen (Promotion) ist regelmäßig Berufsausbildung, wenn sie im Anschluss an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird. Die Anerkennung ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Promotion das Studium anstelle eines Diplom- oder Staatsexamens bzw. der Magisterprüfung abschließen soll oder sie in einer Studienordnung als alleiniger Abschluss vorgesehen ist.
Bestehende Festsetzungen sind nach § 70 Abs. 3 EStG für die Zukunft zu korrigieren. Wurde die Festsetzung bereits aufgehoben, können die Kindergeldberechtigten einen Neuantrag stellen. In diesen Fällen erfolgt eine rückwirkende Festsetzung. Die Rückwirkung reicht so weit, wie keine andere Festsetzung entgegensteht, längstens bis zum Juli 1997, sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 52 Abs. 62 EStG.
Im Falle eines Einspruchsverfahrens ist ein Abhilfebescheid zu erteilen. § 77 EStG ist zu beachten. Ist bereits ein Klageverfahren anhängig, hat die Familienkasse die Kindergeldberechtigten klaglos zu stellen, § 172 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 a AO.
Ich weise darauf hin, dass DA 63.3.2 anwendbar bleibt, soweit die dargelegten Grundsätze nicht entgegenstehen. Eine überarbeitete Fassung gebe ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt bekannt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a
Fundstellen
BStBl I, 1999, 958