Leitsatz
1. Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze die Belegungspräferenz ihrer Vertragspartner, bestimmter Unternehmen, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.
2. In der Satzung sind die jeweils verfolgten steuerbegünstigten Zwecke soweit wie möglich zu konkretisieren.
Normenkette
§ 52 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1, § 53, § 56, § 59, § 63 Abs. 1 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, verfolgt als Zweck die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe sowie der Bildung und Erziehung durch den Betrieb von Kindertageseinrichtungen. In den Streitjahren 2008 bis 2012 schloss die Klägerin mit Unternehmen Verträge über die Errichtung und den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder der Mitarbeiter der Unternehmen. Die Klägerin betrieb in den Streitjahren insgesamt vier Einrichtungen. Für die Aufnahme der zu betreuenden Kinder galten für die Beschäftigten der Unternehmen die Aufnahmebedingungen der Klägerin, wobei die Klägerin auf die Belegungspräferenz der Unternehmen Rücksicht nehmen sollte, sofern dies mit den gesetzlichen Bestimmungen, behördlichen Auflagen und dem pädagogischen Konzept vereinbar war. Andere Personen, die nicht bei den Unternehmen beschäftigt waren, konnten einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, wenn die Unternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf hatten oder wenn Plätze länger unbelegt blieben. Für jeden Betreuungsplatz zahlten die Unternehmen ein von der Belegung abhängiges pauschales Entgelt, das sich durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln an die Klägerin verringerte. Für eine Einrichtung, die 20 Plätze bot, schloss die Klägerin einen entsprechenden Vertrag über 18 Plätze, für die übrigen drei Einrichtungen entsprechende Verträge über sämtliche Plätze.
Im August 2012 schloss die Klägerin für eine Einrichtung zusätzlich einen Vertrag mit der Stadt A über eine Krippengruppe mit Platzsharing, wovon die Klägerin mindestens vier von insgesamt zwölf Plätzen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz zur Verfügung stellte. Tatsächlich wurden in den Streitjahren die Betreuungsplätze auch mit Kindern belegt, deren Eltern nicht Mitarbeiter der Vertragspartner der Klägerin waren, und zwar in drei Einrichtungen einzelne Plätze und in einer Einrichtung von Anfang an deutlich mehr als die Hälfte der Plätze. Die Klägerin erhielt für ihre Einrichtungen öffentliche Fördermittel.
Eine im Jahr 2012 begonnene Außenprüfung kam zu der Auffassung, die Klägerin diene u.a. nicht gemeinnützigen Zwecken, da sie nicht die Allgemeinheit fördere, weil ihre Einrichtungen den Beschäftigten ihrer Vertragspartner vorbehalten seien. Die Klage zum FG hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2019, 6 K 94/16 K, Haufe-Index 13691621, EFG 2020, 301).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Förderung der Allgemeinheit setzt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 AO voraus, dass der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, nicht fest abgeschlossen ist.
2. Hierzu hat der BFH bereits entschieden, dass der Träger einer Privatschule mit dem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit fördert, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt (BFH, Beschluss vom 26.5.2021, V R 31/19, BFH/NV 2021, 1436, BStBl II 2021, 835). Danach ist von einer Förderung der Allgemeinheit nur dann auszugehen, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft oder zu ihren Leistungen hat und sich der geförderte Personenkreis dementsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt und die Allgemeinheit repräsentiert.
3. An der in diesem Sinne erforderlichen Förderung der Allgemeinheit fehlt es z.B. dann, wenn bei drei von vier Betreuungseinrichtungen sämtliche Plätze von den Mitarbeitern bestimmter Unternehmen besetzt werden können, und es nur in einer Kinderbetreuungseinrichtung zwei von 20 Plätzen gibt, die nicht einem Unternehmen zur Verfügung zu stellen sind. Eine anderweitige tatsächliche Belegung sieht der BFH als unerheblich an, da die Körperschaft darauf gerichtet sein muss, die Allgemeinheit zu fördern.
4. Umschreibt die Satzung der Körperschaft deren Ziele eindeutig als gemeinnützig i.S.v. § 52 AO, sieht es der BFH als nicht möglich an, die Satzung dahin gehend auszulegen, dass die Körperschaft auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke i.S.v. § 53 AO anstrebt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2022 – V R 1/20