2.1 Örtlicher Anwendungsbereich
Rz. 11
Der Mindestlohn gilt für Beschäftigungsorte in Deutschland, unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers. Er gilt demnach auch für Grenzgänger und Wanderarbeiter, sofern sie regelmäßig im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig sind.
Rz. 12
Der Mindestlohn gilt damit unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat und ob die Beschäftigung in Deutschland nur zeitweise, d. h. vorübergehend, erfolgt (§ 20 MiLoG). Aufgrund der Regelungen in § 20 MiLoG i. V. m. § 1 Abs. 1 ist das Gesetz zwingendes Recht i. S. d. Artikel 9 Rom-I-VO. Aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer können damit die Zahlung des Mindestlohns unmittelbar aus § 1 Abs. 1 beanspruchen.
Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sind verpflichtet, ihren in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns zu zahlen. Auch ausländische Arbeitgeber können von den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern vor einem deutschen Arbeitsgericht auf Zahlung des Mindestlohns verklagt werden.
Rz. 13
Für die Frage, ob der Arbeitsvertrag eines nach Deutschland aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmers dem deutschen Recht oder dem Recht eines anderen Staates unterliegt, finden unterschiedliche Regelungen Anwendung:
- für Arbeitsverträge die vor dem 17.12.2009 vereinbart wurden, die Regelungen der Artikel 27-37 EGBGB;
- für Arbeitsverträge, die nach diesem Stichtag vereinbart wurden, die Vorschriften Rom-I-VO (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht).
Das MiLoG ist eine sog. Eingriffsnorm. Eingriffsnormen sind zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, vor allem seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen werden, dass sie ungeachtet des nach der Maßgabe der Rom-I-VO anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Gem. § 20 MiLoG hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass das MiLoG aufgrund des darin geregelten "Arbeitsortsprinzips" für alle Arbeitsverhältnisse gelten soll, unabhängig vom Unternehmenssitz des Arbeitgebers.
2.1.1 Ins Ausland entsandte Arbeitnehmer
Rz. 14
Auch im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer können die Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohns gem. § 1 Abs. 1 beanspruchen, wenn auf das Arbeitsverhältnis weiterhin deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet.
Rz. 15
Zu unterscheiden ist zwischen vorübergehenden Entsendungen und Entsendungen, bei denen die Beschäftigung des Arbeitnehmers gewöhnlich im Ausland erfolgt.
Gem. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) findet bei vorübergehenden Entsendungen weiterhin deutsches Recht Anwendung. Günstigere ausländische Mindestlohnregelungen gehen jedoch dem MiLoG als Eingriffsnormen vor. Der vorübergehend ins Ausland entsandte Arbeitnehmer kann damit mindestens den Mindestlohn und – sollten im Aufnahmestaat höhere Mindestlöhne zu beanspruchen sein – den höheren Mindestlohn beanspruchen.
Wenn die Beschäftigung des Arbeitnehmers gewöhnlich im Ausland erfolgt und damit die Beschäftigung dauerhaft, ohne eine Anknüpfung an das deutsche Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, im Ausland erbracht wird, findet das MiLoG keine Anwendung. In diesen Fällen hat der Mitarbeiter keinen Anspruch gem. § 1 Abs. 1.
2.1.2 Nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer
Rz. 16
Im Hinblick auf das im MiLoG verankerte Arbeitsortprinzip findet das Gesetz auch auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung, bei denen aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer in Deutschland tätig werden. Hierbei ist auch nicht entscheidend, ob der ausländische Arbeitgeber seinen Sitz in einem Land der Europäischen Union oder in einem Drittstaat hat. Das MiLoG findet auf alle ausländischen Arbeitgeber Anwendung, gleich, wo deren Sitz ist.
Rz. 17
Umstritten ist die Frage, ob das MiLoG auch bei sog. Transit-Fahrten anzuwenden ist.
Wenn ein ungarisches Speditionsunternehmen Waren nach Belgien befördert und dabei das deutsche Staatsgebiet durchquert, stellt sich die Frage, ob der Fahrer des ungarischen Speditionsunternehmens für die Dauer der Transit-Fahrt über deutsches Staatsgebiet den Mindestlohn gem. § 1 Abs. 1 beanspruchen kann.
Die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales hat am 30.1.2015 erklärt, dass die Kontrollen durch die staatlichen Behörden zur Überprüfung des MiLoG für reine Transit-Fa...