Rz. 20
Bei der unbefangenen Lektüre des Wortlauts des § 14 AEntG entsteht zunächst der Eindruck, jedes Unternehmen würde für die Zahlung des Mindestlohns der Arbeitnehmer seines Vertragspartners haften, wenn es mit diesem Unternehmen die Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen vereinbart. Denn dort heißt es lapidar "ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet…". Im Bereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch eine einschränkende Auslegung für den Begriff des Unternehmens in § 1a AEntG a. F. (die damals nur für die Baubranche galt) vorgenommen. Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift sollen nur "Generalunternehmer" sein, die als Bauunternehmen übernommene Aufträge nicht selbst ausführen, sondern dazu andere Bauunternehmen als Subunternehmern einschalten. Das BAG begründet diese zutreffende Entscheidung vor allem mit dem Gesetzeszweck des § 1 AEntG. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 1a AEntG eine Haftung des Generalunternehmers eingeführt werden. Er soll darauf achten, dass seine Subunternehmer die nach dem AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten. Der Gesetzgeber wollte nicht jeden Unternehmer i. S. v. § 14 Abs. 1 BGB, der eine Bauleistung in Auftrag gibt, in den Geltungsbereich des § 1a AEntG einbeziehen. Ziel des Gesetzes ist vielmehr, Bauunternehmer, die sich verpflichtet haben, ein Bauwerk zu errichten und dies nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigen, sondern sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmen bedienen, als Bürgen haften zu lassen. Sie sollen letztlich im eigenen Interesse verstärkt darauf achten, dass die Nachunternehmer die nach § 1 AEntG geltenden zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten. Da diesen Bauunternehmen der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmern zugute kommt, sollen sie für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer nach § 1a AEntG einstehen müssen. Die Ziele des Gesetzes treffen aber nicht auf andere Unternehmer zu, die als Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Diese Unternehmer beschäftigen keine eigenen Bauarbeitnehmer. Sie beauftragen auch keine Subunternehmer, die für sie eigene Leistungspflichten erfüllen. Bauherren fallen daher nicht in den Geltungsbereich des § 1a AEntG. Daran hält das Bundesarbeitsgericht fest: Die Auslegung des Unternehmerbegriffs in § 14 S. 1 AEntG erfolgt einschränkend. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient.
Das Chemieunternehmen C–AG beauftragt ein Bauunternehmen mit der Errichtung einer neuen Werkshalle. Das Bauunternehmen wiederum setzt zahlreiche Subunternehmen ein, von denen ein Teil ihren Arbeitnehmern den Mindestlohn nach den Tarifverträgen für das Baugewerbe nicht zahlt. Gleichwohl haftet die C–AG nicht auf Zahlung des Mindestlohns, weil sie als gewöhnlicher Bauherr und nicht als Generalunternehmen aufgetreten ist.
Rz. 21
Diese Rechtsprechung zur Eingrenzung des Unternehmerbegriffs i. S. d. Haftung nach dem AEntG ist sinngemäß auf die Haftung des Unternehmers nach § 13 zu übertragen. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der der Ausschuss für Arbeit und Soziales ausdrücklich darauf hinweist, dass die Vorschrift des § 14 AEntG in der Ausgestaltung wie sie insbesondere durch die Rechtsprechung stattgefunden hat sich über Jahre bewährt hat. Auch in der Fachliteratur wird nicht infrage gestellt, dass § 13 auch in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist.
Rz. 22
Allerdings ist die Beschränkung der Haftung auf "Generalunternehmer" zu eng. Das BAG hatte so auch in der Folge in der Baubranche die Haftung für Unternehmen angenommen, die als Bauträger Gebäude im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichten lassen, um sie während oder nach der Bauphase zu veräußern. Im Bereich des gesetzlichen Mindestlohns würde es ansonsten kaum einen über die Baubranche hinausgehenden Anwendungsbereich geben. Daher wird auch in der Fachliteratur nach geeigneten Abgrenzungsmerkmalen zwischen einer zu weit gehenden reinen Auftraggeberhaftung und einer zu engen bloßen Generalunternehmerhaftung gesucht.
Rz. 23
Die Einzelheiten sind hier streitig. Es wird der Ansatz vertreten, dass für die Beschreibung des Anwendungsbereichs der Haftung von einer Haftung als Auftraggeber einer Werk- oder Dienstleistung auszugehen ist. Eine Ausnahme hiervon soll nur insoweit zu machen sein, als der Unternehmer wie ein privater Kunde die Werks- oder Dienstleistungen nur für den internen betrieblichen Eigenbedarf in Auftrag gibt. Ausgenommen sind damit Tätigkeiten,
- die weder unmittelbar gegenüber den Kunden des Auftraggebers geschuldet sind
- und auch nicht dem unternehmerischen Tätigkeitsfeld des Unternehmens so zugeordnet sind, dass sie...