Leitsatz
Die Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a Satz 6 GewStG 2002 n.F.) endet nicht vor der Festsetzungsfrist für den EZ, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festzustellen ist (§ 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 GewStG 2002 n.F.). Eine Feststellung nach dem Ablauf der Feststellungsfrist ist rechtswidrig. Abweichendes gilt (unter Anwendung von § 181 Abs. 5 AO), wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung pflichtwidrig unterlassen hat (§ 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG 2002 n.F.). Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn eine Verlustfeststellung bisher gänzlich fehlt; die Änderung einer bereits fristgerecht ergangenen Feststellung fällt nicht darunter.
Normenkette
§ 10a Satz 6, § 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG 2002 n.F., § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG 2002 n.F., § 181 Abs. 5 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, war Rechtsnachfolgerin der C‐AG, auf die sie zum 1.1.2003 verschmolzen wurde. Das FA stellte im Rahmen einer Außenprüfung fest, dass der Bericht der Vorprüfung nicht ausgewertet worden und daher eine Minderung der gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.1995 bis 31.12.1999 von rd. 41 Mio. DM auf rd. 35 Mio. DM unterblieben war. Daraufhin holte das FA die Auswertung Änderungsbescheiden vom 18.3.2008 nach. Das sei im Anschluss an die Änderung der KSt-Bescheide 1995 bis 1999 möglich gewesen, und zwar innerhalb der noch laufenden Feststellungsfrist nach § 35b Abs. 2 GewStG i.V.m. § 181 Abs. 5 AO.
Die Änderungsmöglichkeit sei nicht nach § 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) – GewStG 2002 n.F. – entfallen. Nach dieser Vorschrift ende die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den EZ abgelaufen sei, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen sei; § 181 Abs. 5 AO sei nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Verlustfeststellung pflichtwidrig unterlassen habe. Mit § 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG 2002 n.F. solle nur die Verwaltung vor späten Feststellungsanträgen geschützt werden, nicht aber der Steuerpflichtige vor sachgerechten Änderungen.
Mit der Klage wandte sich die Klägerin u.a. gegen den Feststellungsbescheid auf den 31.12.1995.
Die anschließende Klage hatte insoweit Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 19. 12.2012, 15 K 91/12 F, Haufe-Index 3642420, EFG 2013, 313).
Entscheidung
Der BFH hat das FG bestätigt.
Die vierjährige Festsetzungsfrist für den EZ 1995, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.1995 festzustellen sei, habe nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 3 AO unter Berücksichtigung der im Jahr 2003 abgeschlossenen Außenprüfung mit Ablauf des 31.12.2007 geendet, ebenso wie die Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Da die Anwendung von § 181 Abs. 5 AO im Streitfall durch § 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG 2002 n.F. untersagt und demzufolge eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist ausgeschlossen sei, sei der geänderte Feststellungsbescheid auf den 31.12.1995 vom 18.3.2008 rechtswidrig (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
Die nach Maßgabe des § 85 AO als pflichtwidrig anzusehende Nichtauswertung der Prüfungsfeststellungen durch das FA habe die Möglichkeit einer Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist (§ 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG 2002 n.F. i.V.m. § 181 Abs. 5 AO) nicht eröffnet. Denn dadurch, dass das FA es verabsäumt habe, eine bereits vorliegende (aber materiell unzutreffende) Verlustfeststellung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für den EZ (hier: bis zum 31.12.2007) – und damit dem Ablauf der Feststellungsfrist – zu ändern, habe es nicht die Feststellung pflichtwidrig unterlassen. Diese Möglichkeit beziehe sich nämlich nur auf die erstmalige, nicht aber auf eine zu ändernde Feststellung.
Hinweis
1. Nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind Verlustfeststellungsbescheide (und damit auch Bescheide zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes i.S.d. § 10a Satz 6 GewStG 2002 n.F.) zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die Besteuerungsgrundlagen ändern und deshalb der GewSt-Messbescheid für denselben EZ zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Dabei endet gemäß § 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 GewStG die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den EZ abgelaufen ist, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen ist.
2. Nach Maßgabe des § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Das Gesetz bringt damit die "dienende Funktion" des Feststellungsverfahrens zum Ausdruck, sodass die (verfahrensrechtliche) Selbstständigkeit de...