Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung für staatlich anerkannte Altenpfleger vor Einführung des Altenpflegegesetzes. Aussetzung der Vollziehung (Umsatzsteuer 1994 bis 1999)
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die heilberufliche Tätigkeit eines staatlich anerkannten Altenpflegers vor Einführung des Altenpflegegesetzes zum 31.7.2001 nicht allein wegen des Fehlens einer berufsrechtlichen Regelung in dem betreffenden Bundesland von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ausgeschlossen werden kann.
2. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass auch Leistungen durch heilberufliche Tätigkeit, die nicht unmittelbar, sondern mittelbar über einen Leistungsmittler von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden, nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind.
Normenkette
UStG 1993 § 4 Nr. 14 S. 1; UStG 1996 § 4 Nr. 14 S. 1; UStG 1999 § 4 Nr. 14 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2-3; AltPflG §§ 29, 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1994 zuletzt vom 28. November 2001, des Umsatzsteuerbescheids 1995 zuletzt vom 7. Februar 2002, des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 28. November 2001, des Umsatzsteuerbescheids 1997 vom 28. November 2001, des Umsatzsteuerbescheids 1998 zuletzt vom 26. Februar 2002 und des Umsatzsteuerbescheids 1999 zuletzt ebenfalls vom 26. Februar 2002 wird bis einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache in vollem Umfang ausgesetzt.
2. Die Beschwerde wird zugelassen.
3. Der Antraggegner trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand
Streitig ist, ob die Umsätze der Antragstellerin, die als selbständige Altenpflegerin tätig ist, in den Streitjahren nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind.
Die Antragstellerin ist staatlich anerkannte Altenpflegerin. In den Jahren 1994 bis 1999 war sie im Altenheim „W. H.”, das als vollstationäre Pflegeeinrichtung gemäß § 72 SGB XI zugelassen ist und von ihrer Mutter betrieben wird, selbständig pflegerisch tätig. Die Aufträge wurden von der Antragstellerin unmittelbar mit dem Altenheim „W. H.” abgerechnet und von diesem an die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger weiterberechnet. Der Antragsgegner hat die Umsätze der Antragsgegnerin aus dieser Tätigkeit der Umsatzsteuer unterworfen und für 1994 – zuletzt – mit Bescheid … November 2001, für 1995 – zuletzt – mit Bescheid vom 7. Februar 2002, für 1996 mit Bescheid vom 28. November 2001, für 1997 mit Bescheid vom 28. November 2001, für 1998 mit Bescheid – zuletzt – vom 26. Februar 2002 und für 1999 mit Bescheid – zuletzt ebenfalls – vom 26. Februar 2002 Umsatzsteuer festgesetzt. Dagegen legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2001 Einspruch ein. Zugleich beantragte sie, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1999 auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, den der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2002 zurückgewiesen hat. Der in der Hauptsache eingelegte Einspruch ist dagegen vom Antragsgegner noch nicht verbeschieden.
Die Antragstellerin trägt vor, an der Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheids bestünden ernstliche – verfassungsrechtliche – Zweifel, da ein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliege.
Der Antragstellerin werde zu Unrecht die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG versagt. Als staatlich geprüfte Altenpflegerin habe sie in 1994 bis 1999 einen ähnlichen Heilberuf im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG ausgeübt und damit steuerfreie Umsätze erbracht. Dies verkenne der Antragsgegner. Die Finanzverwaltung behandle heilberufliche Leistungen von Altenpflegern erst seit der Einführung des Altenpflegegesetz und der Änderung des Krankenpflegegesetzes zum 1. August 2001 als steuerfrei. Leistungen, die vor dem In-Kraft-Treten dieser bundesweiten berufsrechtlichen Regelung, erbracht worden seien, würden als steuerbar eingestuft und damit allein wegen des Fehlens einer berufsrechtlichen Regelung für Altenpfleger nicht von der Umsatzsteuer befreit. Allein das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung in den Streitjahren könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Ausschluss von der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht rechtfertigen, sondern bewirke vielmehr eine Verstoß gegen das …behandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. § 4 Nr. 14 UStG bezwecke allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Der Gesetzeszweck gebiete auch die Tätigkeit als Altenpfleger umsatzsteuerfrei zu stellen, wenn er Leistungen erbringe, die in der R. von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden. Die Antragstellerin erbringe solche Leistungen, auch wenn sie diese nicht unmittelbar gegenüber den Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträgern, sondern gegenüber dem Alten- und Pflegeheim „W. H.” abrechne. Allein das zufällige Dazwischenschalten des Altenpflegeheims bei den Leistungsbeziehungen könne der Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung nicht entgegenstehen. Vielmehr dürfe keine Rolle spielen, ob ein Al...