Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzierung außergerichtlicher Rechtsverfolgung als steuerfreie sonstige Leistung. Leistungserbringung bei Innengesellschaft. keine Aussetzung der Vollziehung der Jahressteuer bei höheren Vorauszahlungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Finanzierung einer außergerichtlichen Rechtsverfolgung wegen fehlgeschlagener Anlagen gegen Erfolgsbeteiligung steuerpflichtig und nicht als Übernahme einer sonstigen Sicherheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit ist, da der Unternehmer den Vertragspartnern das Risiko abnimmt, dass die Kosten des Rechtsstreits die Erlöse übersteigen.
2. Bei einer Innengesellschaft werden die Leistungen der Gesellschafter nicht im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern im Verhältnis zum anderen Gesellschafter erbracht.
3. § 69 Abs. 3 S. 4 und Abs. 2 S. 8 FGO stehen der Aussetzung der Vollziehung des Jahressteuerbescheides trotz ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit entgegen, wenn die festgesetzten, aber nicht entrichteten Vorauszahlungen höher sind, als die durch den Umsatzsteuerjahresbescheid festgesetzte Umsatzsteuer und dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 8 g, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 16 Abs. 1 S. 1; MwStSystRL Art. 135 Abs. 1c; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
1. Die Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide jeweils vom 3. Dezember 2012 für das 1. Kalendervierteljahr 2012 und für das 2. Kalendervierteljahr 2012 wird ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens zu 43 % und der Antragsgegner zu 57%.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Finanzierung außergerichtlicher Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin eine sonstige Leistung darstellt, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit ist.
Die sollbesteuerte (vgl. Bl. 9 BP-Akte) Antragstellerin finanziert außergerichtliche Verfahren wegen fehlgeschlagener Anlagen gegen Erfolgsbeteiligung. Die Antragstellerin gewährt die Kostenübernahme nur dann, wenn sie die Erfolgsaussichten der außergerichtlichen Vorgehens positiv einschätzt. Dazu schließt die Antragstellerin mit den Anlegern im Wesentlichen inhaltsgleiche Verträge ab, wonach sie sich verpflichtet, den Anlegern die Kosten der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen vorzufinanzieren. Im Erfolgsfalle erhält die Antragstellerin Erstattung der verauslagten Kosten sowie 30% des die Kosten der Rechtsverfolgung übersteigenden Erlöses der Rechtsverfolgung. Die von der Antragstellerin verwendeten Klauseln lauten auszugsweise wie folgt:
„3.1 Die Antragstellerin bezahlt die gesamten Kosten, die ab Wirksamwerden des Vertrages im Rahmen einer wirtschaftlich vernünftigen außergerichtlichen Geltendmachung der streitigen Ansprüche entstehen. […]
3.5 Die Antragstellerin ist nicht zur rechtlichen Betreuung des Anspruchsinhabers verpflichtet. Die rechtliche Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens obliegen dem Anspruchsinhaber und dem beauftragten Rechtsanwalt. […]
4.1 Aus einem Erlös der finanzierten Rechtsverfolgung (einschließlich Kostenerstattung Abschnitt 4.4) erhält die Antragstellerin vorab die von ihr vorgelegten Kosten sowie sämtliche Kosten, die die Antragstellerin aufgrund des Verhandlungsergebnisses noch zu tragen verpflichtet ist. […]
4.2 Von dem nach Abzug der Verfahrenskosten (Abschnitt 3.1/4.1) ermittelten Erlös der Rechtsverfolgung stehen der Antragstellerin 30% (in Worten: Dreißig Prozent) zu.”
Die Antragstellerin hat im Jahr 2011 und in den ersten beiden Kalendervierteljahren des Jahres 2012 ausschließlich Umsätze aus der Rechtsstreitfinanzierung erzielt.
Sie erhielt an sie adressierte Rechnungen der die Rechtsverfolgung betreibenden Rechtsanwälte, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Außerdem wurden ihr gegenüber Unternehmensberatungsleistungen erbracht, für die Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde.
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für 2011 erklärte die Antragstellerin jeweils steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 0 EUR. Für das 1. und 2. Kalendervierteljahr 2012 meldete sie erstmals steuerpflichtige Umsätze an (vgl. Bl. 11 BP-Akte).
Am 4. April 2012 fand bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. In dem Bericht vom 5. Oktober 2012 sah der Prüfer die Rechtsstreitfinanzierungsleistungen der Antragstellerin als steuerpflichtige sonstige Leistungen an.
Der Prüfer ermittelte die steuerpflichtigen Umsätze des Jahres 2011 und des 1. und 2. Kalendervierteljahrs 2012 in der Weise, dass er zu den im jeweiligen Zeitraum erzielten Provisionserlösen (d.h. den vereinnahmten Beträgen von 30% des Erlöses der Rechtsverfolgung) die Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im jeweiligen Zeitraum addierte, wozu auch Forderungen auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten zählten, die die Antragstellerin vorfinanzierte. Dementsprechend ließ er den Vorsteuerabzug aus den seitens der Rechtsanwälte in Rechnung gestellten Honoraren zu.
Das FA folg...