Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.04.2000; Aktenzeichen VI R 126/99)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Mutter Anspruch auf Kindergeld für ihr auf Kosten der Sozialbehörde in einem Heim untergebrachtes schwerbehindertes Kind hat.

Die Klägerin ist die Mutter der am 10. Februar 1966 geborenen B. Die zu 100 v.H. geistig schwer behinderte Tochter ist in … einem Heim für geistig Behinderte … untergebracht und arbeitet in der Werkstatt für Behinderte des Heims. Die Vergütung für diese Tätigkeit betrug im Jahr 1996 70 DM im Monat. Die Tochter erhält vom Landeswohlfahrtsverband B. – Landessozialamt – Eingliederungshilfe nach § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), im Jahr 1997 nach einem Pflegesatz von 194,40 DM pro Tag. Die Klägerin bezog auf Antrag des Landeswohlfahrtsverbands für die behinderte Tochter vom beklagten Arbeitsamt unbefristet nach dem Bundeskindergeldgesetz Kindergeld, das der Landeswohlfahrtsverband aufgrund Überleitung nach § 50 Sozialgesetzbuch sowie §§ 90, 91 BSHG beanspruchte. Nach Änderung der Kindergeldregelung durch Übernahme der Vorschriften in das Einkommensteuergesetz ab 01. Januar 1996 hob der Landeswohlfahrtsverband die Überleitung ab 01. September 1996 auf. Daraufhin wurde das freigegebene Kindergeld zunächst an die Klägerin ausbezahlt. Durch Bescheid vom 14. Januar 1997 hob das Arbeitsamt die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1997 gem. § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gegenüber der Klägerin mit der Begründung auf, ab 01. Januar 1996 zähle nach den Bestimmungen des EStG auch die den Lebensunterhalt in voller Höhe abdeckende Eingliederungshilfe zu den eigenen Bezügen des behinderten Kindes, welches deshalb im Stande sei, sich selbst zu unterhalten. Nach der Übergangsvorschrift des § 78 Abs. 3 EStG könne das Kind ab Januar 1997 nicht mehr berücksichtigt werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 03. Februar 1997 mit der Begründung Einspruch ein, der vorliegende Sachverhalt falle nicht unter die Übergangsregelung des § 78 Abs. 3 EStG, denn die Eingliederungshilfe sei nicht bei den eigenen Einkünften und Bezügen kindergeldschädlich anzurechnen. Das im Heim untergebrachte Kind sei außerstande, sich selbst zu unterhalten, da die Eingliederungshilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreiche. Notwendige Kosten für die Bereitstellung eines Zimmers. Verpflegung, Telefon, Friseur sowie Fahrten in Höhe von monatlich insgesamt ca. 460 DM müßten vielmehr von den Eltern getragen werden.

Durch Entscheidung vom 09. Juni 1997 wies das Arbeitsamt den Einspruch aus den im Aufhebungsbescheid angeführten Gründen als unbegründet zurück.

Die am 09. Juli 1997 erhobene Klage läßt die Klägerin wie folgt begründen: Der Anspruch auf Kindergeld bestehe weiterhin, da die Tochter wegen ihrer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Eine Änderung in den für den Anspruch auf Kindergeld maßgeblichen Verhältnissen im Sinne des § 70 Abs. 2 EStG sei nicht eingetreten. Selbst wenn man die Eingliederungshilfe rechtlich und wirtschaftlich als eigene Bezüge der Tochter ansehe, versetzten diese B. nicht in die Lage, sich selbst zu unterhalten. Die Eingliederungshilfe decke zwar die Kosten der Heimunterbringung ab, reiche aber – wie bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen – nicht für die notwendigen Kosten des Lebensunterhalts außerhalb des Heims aus. Der Klägerin entstünden für einen zusätzlichen Unterhalts bedarf monatlich durchschnittlich Kosten in Höhe von 263 DM zuzüglich 200 DM für ein Zimmer in ihrer Wohnung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14. Januar 1997 sowie die Einspruchsentscheidung vom 09. Juni 1997 aufzuheben.

Das Arbeitsamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält daran fest, daß ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr bestehe, da das Kind aufgrund eigener Bezüge in der Lage sei, seinen notwendigen Lebensbedarf zu decken. Das im Heim lebende Kind könne nur berücksichtigt werden, soweit der Sozialhilfeträger die Eltern für seine Leistungen gem. § 91 BSHG in Anspruch nehme. Dies sei hier nach der gesetzlichen Regelung in § 91 Abs. 2 BSHG jedoch nicht möglich. Damit sei das Prinzip des Nachrangs der Sozialhilfeleistung gem. § 2 BSHG praktisch ohne Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Das Arbeitsamt hat die Kindergeldfestsetzung zu Recht aufgehoben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für ihre schwerbehinderte Tochter. Denn diese ist auf Kosten eines Sozialhilfeträgers in einem Heim untergebracht und damit in der Lage, ihren Lebensbedarf durch eigene Bezüge (Leistungen Dritter) zu bestreiten.

Nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I Seite 1250; BStBl I Seite 438) besteht Anspruch auf Kindergeld u. a. für Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG...

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