Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß der pauschalen Besteuerung von „schwarzen Fonds” gegen die Kapitalverkehrsfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
Die pauschale Besteuerung von sog. „schwarzen Fonds” nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73b Abs. 1 EGV.
Normenkette
AuslInvestmG § 18 Abs. 1, 3, § 17 Abs. 2a; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; EGV Art. 73 Abs. 1
Tenor
1. Die Einspruchsentscheidung vom 2. September 2009 wird aufgehoben. Die Einkommensteuerbescheide 1997-2002 vom 5. Juni 2008 und der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. April 2010 sind dahin zu ändern, dass die Einnahmen aus dem Depot bei der X Bank in Liechtenstein AG wie folgt angesetzt werden:
Veranlagungszeitraum |
anzusetzende Einnahmen |
1997 |
19.420,24 EUR |
1998 |
24.377,89 EUR |
1999 |
93.078,95 EUR |
2000 |
- 11.665,18 EUR |
2001 |
43.080,07 EUR |
2002 |
44.317,14 EUR |
2003 |
48.463,86 EUR |
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung mit den vorstehenden Werten zu errechnen, dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieser Entscheidung neu bekanntzugeben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Die Zuziehung eines Bevollmächtigen zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz nachträglich erklärter Einkünfte aus Kapitalvermögen aus Liechtenstein in den Veranlagungszeiträumen 1997-2003.
I.
Die Klägerin wurde im Streitzeitraum mit ihrem Ehemann zusammenveranlagt. In den Steuererklärungen für die Jahre 1997-2003 verschwieg sie, dass sie aus einem Depot bei der X Bank in Liechtenstein AG mit der Nummer 999… Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hatte. Das Depot enthielt Anteile an so genannten „schwarzen Fonds” im Sinne von § 18 Abs. 3 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen (AuslInvestmG).
Mit Schreiben vom 28. April 2008 erstattete die Klägerin Selbstanzeige. Dem Schreiben waren Berechnungen zur Höhe der Kapitalerträge und korrigierte Anlagen zu den jeweiligen Steuererklärungen beigefügt. In den Anlagen wurden die nachträglich erklärten Kapitalerträge aus Liechtenstein entsprechend § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit 90 % des Mehrbetrags, der sich zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis ergibt, mindestens jedoch mit 10 % des Rücknahmepreises angesetzt.
Mit Bescheiden vom 5. Juni 2008 änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 1997-2003 entsprechend den eingereichten Erklärungen. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, form- und fristgerecht Einspruch ein. Die Pauschalbesteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften in der Fassung des Vertrags von Amsterdam. Die Beschränkung ergebe sich daraus, dass nur die Erträge aus ausländischen Investmentanteilen der Pauschalbesteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG unterlägen, jedoch nicht vergleichbare Erträge aus inländischen Anteilen. Der Besteuerung seien die tatsächlichen Erträge zugrunde zu legen, gegebenenfalls sei zu schätzen. Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Berechnungen der Kapitalerträge nach Maßgabe der § 18 Abs. 1 AuslInvestmG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2009 als unbegründet zurück. Mit der form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Am 19. April 2010 erging ein geänderter Bescheid für den Veranlagungszeitraum 2003, in dem ein Ansatz von weiteren Kapitalerträgen aus der Schweiz erfolgte, die jedoch nicht streitgegenständlich sind.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Einspruchsentscheidung vom 2. September 2009 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1997-2002 vom 5. Juni 2008 und den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. April 2010 dahin zu ändern, dass die Einnahmen aus dem Depot bei der X Bank in Liechtenstein AG wie folgt angesetzt werden:
Veranlagungszeitraum |
anzusetzende Einnahmen |
1997 |
19.420,24 EUR |
1998 |
24.377,89 EUR |
1999 |
93.078,95 EUR |
2000 |
- 11.665,18 EUR |
2001 |
43.080,07 EUR |
2002 |
44.117,14 EUR |
2003 |
48.463,86 EUR |
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest...