Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Erstellung von Kontrollmitteilungen anlässlich der Außenprüfung bei einer Bank
Leitsatz (redaktionell)
§ 30a AO 1977 ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass im Rahmen einer Außenprüfung bei einer Bank die Fertigung von Kontrollmitteilungen über Angelegenheiten Dritter nur dann verboten ist, wenn ihr anlasslose Kontrollen (Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Stichprobenermittlungen oder dergleichen) zugrunde liegen. Kontrollmitteilungen dürfen hingegen erteilt werden, wenn für die Ausschreibung ein "hinreichender Anlass" oder gar ein Verdacht auf Steuerverkürzung besteht (Anschluss an die BFH-Urteile vom 18.02.1997 - VIII R 33/95, BStBl II 1997, 499 und vom 15.12.1998 - VIII R 6/98, BFH/NV 1999, 721).
Normenkette
AO 1977 § 30a Abs. 3, § 194 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 14, 19
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerfahndung (Steufa) anlässlich steuerstrafrechtlicher Ermittlungen bei einer Bank Kontrollmitteilungen über Angelegenheiten von unbeteiligten Bankkunden fertigen und an deren Wohnsitzfinanzämter weitergeben oder steuerliche Fahndungsmaßnahmen gegen die Bankkunden einleiten darf.
Mit Beschluss vom 25. Januar 1996 3 GS 60/96 ordnete das Amtsgericht R ... die Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin und die Sicherstellung sämtlicher Unterlagen für die Zeit ab 1987 an, die im Zusammenhang mit Geld- und Depottransfers von und nach Luxemburg stehen. Das Ermittlungsverfahren richtete sich gegen eine unbekannte Anzahl zum Teil namentlich noch nicht bekannter Kunden und Mitarbeiter der Bank wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Im Rahmen der Durchsuchung erhielt die Steufa des beklagten FA bei Durchsicht des alphabetisch abgelegten allgemeinen Schriftverkehrs zwischen der Klägerin und ihren Kunden u. a. Kenntnis von möglicherweise steuerlich erheblichen, auf nicht verfahrensbeteiligte Bankkunden hinweisenden Sachverhalten (z. B. Kapitalanlagen, Kapitalerträge sowie Bank- und Depotüberweisungen aus dem und in das Ausland), die in keinem Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung oder einer anderen Steuerstraftat bezüglich Geldanlagen in Luxemburg standen. Die bei der Durchsicht dieses Schriftverkehrs gewonnenen Erkenntnisse hielt die Steufa in ca. 70 Fällen, die der Klägerin im einzelnen nicht bekannt gegeben wurden, in handschriftliche Notizen fest.
Nach Darstellung des Finanzamts (FA) wurden Notizen nur in solchen Fällen gefertigt, in denen die Fahnder nach ihrer langjährigen Erfahrung aufgrund der Höhe der Beträge oder sonstiger Besonderheiten (z. B. Größenordnung des vom Kunden zur Anlage im Ausland in Aussicht gestellten Kapitals, Häufigkeit von Bareinzahlungen) Anlass sahen, die Vorgänge auf ihre steuerlich korrekte Erfassung zu überprüfen. Im einzelnen wird auf die Darstellung der Steufa im Schriftsatz des FA vom 28. Juni 2000 sowie die dazu als Anlagen vorgelegten – neutralisierten – Beispielsfälle von Notizen hingewiesen.
Das FA beabsichtigt, die Aufzeichnungen den Wohnsitzfinanzämtern der Bankkunden als Kontrollmitteilungen zwecks Nachprüfung der Besteuerung zuzuleiten bzw. zum Anlass für steuerliche Ermittlungen der Steufa zu machen.
Hiergegen erhob die Klägerin Sachaufsichtsbeschwerde zur damaligen Oberfinanzdirektion (OFD) Freiburg. Diese wies die Beschwerde mit Schreiben vom 27. August 1996 zurück.
Der daraufhin beim Finanzgericht gestellte Antrag, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der (vorliegenden) Hauptsache die handschriftlichen Notizen als Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter weiterzuleiten, lehnte der Senat mit Beschluss vom 25. November 1996 3 V 37/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1997, 519) ab. Die vom Senat zugelassene Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) hatte Erfolg. Mit Beschluss vom 28. Oktober 1997 VII B 40/97 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1998, 424) hob der VII. Senat des BFH den Beschluss des Senats auf und erließ die von der Klägerin beantragte einstweilige Anordnung.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, das FA daran zu hindern, die Notizen als Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betroffenen Bankkunden weiterzuleiten oder zum Anlass für steuerliche Ermittlungen bei den Bankkunden zu nehmen, und darüber hinaus das FA zu veranlassen, die Notizen an die Klägerin herauszugeben oder zu vernichten.
Unterlassungsanspruch
Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben. Richtige Klageart sei eine einfache Leistungsklage in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage. Die Klägerin habe ein Rechtsschutzinteresse, da ohne die Klage Grund zur Sorge bestehe, dass das auf die ca. 70 Notizen gestützte Verhalten des FA (Weiterleitung als Kontrollmitteilungen, Fahndungsmaßnahmen bei den Bankkunden) zu einem irreparablen Schaden bei der Klägerin führe. Hieraus ergebe sich zug...