Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu hoher Steuerausweis in einer Schlussrechnung. Pro-forma-Rechnung. Organschaft. keine Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind in der Schlussrechnung entgegen § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG die Steuerbeträge auf die vor Ausführung der Leistung vereinnahmten Teilentgelte nicht abgesetzt worden, so führt dieser Fehler zu einer Steuerschuld aus § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG.
2. Eine Pro-forma-Rechnung liegt nur vor, wenn sie als solche nach ihrer Aufmachung oder ihrem Inhalt (etwa durch den Hinweis „für Prüfzwecke”) auf den ersten Blick für einen Betrachter auch ohne Kenntnis der Vorgänge als solche erkennbar ist.
3. Ob der Rechnungsempfänger tatsächlich den Vorsteuerabzug aus der Rechnung vorgenommen hat, spielt im Hinblick auf den Gefährdungscharakter, dem § 14c UStG begegnen will, grundsätzlich keine Rolle.
4. Stellt eine Organgesellschaft eine Rechnung mit zu hohem Steuerausweis aus, schuldet der Organträger den Mehrbetrag.
5. Eine Rechnungsberichtigung im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 5 S. 2, § 14c Abs. 1 Sätze 1-2, § 17 Abs. 1 S. 7
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist hauptsächlich, ob der Kläger die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Daneben begehrt der Kläger den Vorsteuerabzug aus verschiedenen Rechnungen und die Steuerbefreiung für die Weiterberechnung von Mietkosten.
1. Der –vom Prozessbevollmächtigten steuerlich beratene– Kläger betreibt ein Einzelunternehmen „A”. Zweck des Unternehmens ist (…).
Der Kläger ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer der „B GmbH” und der „C GmbH”. Das Einzelunternehmen und die beiden Gesellschaften bilden eine umsatzsteuerliche Organschaft, Organträger ist das Einzelunternehmen. Beide Gesellschaften haben ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr.
2. Der Kläger reichte die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre am 02.12.2012 (für das Jahr 2009, berichtigt), am 08.01.2012 (für 2010) und am 12.11.2012 (für 2011) ein. Die Umsätze beliefen sich jeweils auf rd. XXX EUR.
3. Bei einer beim Kläger einschließlich der beiden Organgesellschaften durchgeführten Außenprüfung wich der Prüfer bei zahlreichen Geschäftsvorfällen von den Erklärungen ab (drei gesonderte Berichte vom 03.09.2015). Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) setzte die Prüfungsfeststellungen in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2009 bis 2011 vom 20.10.2015 um; die Vorbehalte der Nachprüfung wurden aufgehoben. Aufgrund der erhöhten Steuerfestsetzung in 2010 (aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises) setzte das FA zudem Nachzahlungszinsen von XXX EUR fest. Der Kläger legte gegen die Bescheide am 03.11.2015 Einspruch ein.
Aufgrund der weiteren Erkenntnisse im Einspruchsverfahren erließ das FA am 19.12.2019 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2011 (hierdurch verringerten sich die Nachzahlungszinsen für 2010 auf XXX EUR) und wies im Übrigen die Einsprüche mit drei (je Streitjahr) gesonderten Einspruchsentscheidungen vom 20.12.2019 als unbegründet zurück.
4. Mit der am 17.01.2020 (Eingang beim Gericht) erhobenen Klage begehrt der Kläger weiter die Zurücknahme der Prüfungsfeststellungen. Im Einzelnen sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch die folgenden Punkte streitig:
a) Jahr 2010
Im Jahr 2010 sind eine Steuerschuld wegen unrichtigen Steuerausweises und der Vorsteuerabzug aus einer weiteren Rechnung streitig.
aa) Steuerschuld aus der Rechnung vom 12.03.2010
Hauptstreitpunkt des vorliegenden Klageverfahrens ist, ob der Kläger die Steuer aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises in einer Rechnung der B GmbH schuldet.
(1) Die B GmbH führte für die D AG im Werk in der Stadt AA (…) durch. Die Abnahme erfolgte am 21.04.2010. Die B GmbH erteilte der D AG unstreitig zwischen November 2008 und November 2009 insgesamt 19 Abschlagsrechnungen mit Ausweis von Umsatzsteuer, aus denen die D AG den Vorsteuerabzug geltend machte.
Die B GmbH rechnete in der hier streitigen „Schlußrechnung” (Rechnungs-Nr. XXX) vom 12.03.2010 an die „Firma D AG, Abt. XXX” in der Stadt BB wie folgt ab:
Beschreibung |
EUR |
1.-19. Abschlagsrechnung |
XXX EUR |
20 – Schlussrechnung |
XXX EUR |
erbrachter Leistungswert |
XXX EUR |
abzügl. Nachlass von 4 % |
XXX EUR |
Nettosumme |
XXX EUR |
zuzügl. MwSt 19 % |
XXX EUR |
Rechnungsbetrag |
XXX EUR |
Auf der in den Akten des FA abgehefteten „Schlußrechnung” ist unterhalb des Briefkopfes handschriftlich notiert: „19/20 → brutto XXX EUR … 19 % MwSt XXX EUR … netto XXX EUR” und unterhalb des Rechnungsbetrags: „Auszahlung am 02.06.2010 -XXX EUR 5 % SEB netto = XXX EUR”.
Die E GmbH, die das Bauprojekt als Ingenieurbüro für die D AG betreut hatte, strich auf der „Schlußrechnung” vom 12.03.2010 am 22.04.2010 handschriftlich alle Beträge durch und notierte neben „erbrachter Leistungswert” den Betrag von XXX EUR.
Der von der E GmbH korrigie...