Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Organschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. In aller Regel folgt aus der finanziellen Eingliederung auch die organisatorische Eingliederung.
2. Von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist (§ 17 Abs. 2 AktG) und von den Mehrheitsgesellschaftern i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 3 UStG beherrscht wird.
3. Wird das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung bestritten, so muss vom Finanzamt nachgewiesen werden, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung trotzt der Beherrschungsmöglichkeit tatsächlich keine unmittelbare Beherrschung der Gesellschaft vorliegt.
4. Das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung lässt sich bereits daraus ableiten, dass zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft jederzeit die Voraussetzungen für die Anerkennung der Organschaft durch das Finanzamt geschaffen werden können.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; AktG § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001, jeweils vom 30. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 werden ersatzlos aufgehoben.
II. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin, der Y Servicegesellschaft mbH als Organgesellschaft, und dem Einzelunternehmen A aus B als Organträger vorliegt.
Die Klägerin ist eine am 11. Mai 2000 gegründete GmbH, an deren Stammkapital von 25.000 EUR zunächst A aus B (B) mit 12.750 EUR (51 %) und die X GmbH & Co. KG mit 12.250 EUR (49 %) beteiligt waren. Mit Vertrag vom 13. Dezember 2000 wurden die Anteile der X GmbH & Co. KG für 12.250 EUR an die Z Beteiligungsgesellschaft mbH veräußert.
Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Erbringung von infrastrukturellen Dienstleistungen, insbesondere Gebäude- und Unterhaltsreinigung, Catering, Sicherheitsdienste, technische und kaufmännische Gebäudedienste, Hauswirtschafts- und sonstige Servicedienste sowie Dienstleistungen in Service und Verwaltung der Kliniken der K Gruppe (= Unternehmen des B) und in Unternehmen Dritter. Tatsächlich wurde die Klägerin ausschließlich für die Kliniken der K Gruppe tätig.
Die Kliniken der K Gruppe setzen sich im wesentlichen aus zwei Kliniken des B, der Gklinik Dr. K und der Eklinik N GmbH, zusammen. Die Gklinik war ursprünglich in der Rechtsform einer GmbH betrieben worden und wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 auf das Einzelunternehmen von B verschmolzen. Alleinige Gesellschafter der Eklinik N GmbH waren in den Streitjahren B (mit 98 v.H), der stets alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft war, und seine Tochter L B (mit 2 v.H). Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 wurde auch diese Gesellschaft auf das Einzelunternehmen von B verschmolzen.
Als einzelvertretungsberechtigte, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages, waren seit 11. Mai 2000 (MK) und B bestellt. Sie haben mit Ausnahme derjenigen Aufgaben, die der Gesellschafterversammlung ausdrücklich vorbehalten bleiben, im Außenverhältnis unbeschränkte Handlungsvollmacht, ohne dass es eines besonderen Gesellschafterbeschlusses bedarf, wobei die Zuständigkeit innerhalb der Geschäftsführung durch eine verbindliche Geschäftsordnung und einen verbindlichen Geschäftsverteilungsplan geregelt ist. MK ist zwischenzeitlich aus der Klägerin wieder ausgeschieden.
Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht Einstimmigkeit vorsehen. Je 50 EUR eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
Die Beschlüsse, die der Einstimmigkeit der Gesellschafter bedürfen, sind in § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages aufgeführt. Sie betreffen im wesentlichen die Auflösung der Gesellschaft, die Erhöhung des Stammkapitals, Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Genehmigung der Übertragung von Geschäftsanteilen, Ausschließung eines Gesellschafters, Verabschiedung einer Geschäftsordnung und eines Geschäftsverteilungsplanes für die Geschäftsführung. Darüber hinaus bedürfen der Einstimmigkeit Beschlüsse über die Beteiligung an oder den Erwerb von Unternehmen oder Beteiligungen, die Wahl eines eventuell erforderlichen Abschlussprüfers, die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Entlastung der Geschäftsführer, die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die Festlegung von Gewinnbeteiligungen, Tantiemen, Bonuszahlungen oder ähnlichen Vergütungen an die Geschäftsführer. Entscheidungen der Gesellschaft, die nicht der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung unterliegen, sondern nach § 5 Abs. 3 von den Geschäftsführern getroffen werden, sind in § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages bestimmt. Auf die diesbezüglichen Regelungen im Gesellscha...