rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Auszahlungspflicht nach § 73 EStG i.V.m. § 3 KAV

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob § 73 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG 1996 verfassungswidrig sind und die Klägerin deshalb nicht zur Auszahlung von Kindergeld an ihre Arbeitnehmer verpflichtet ist.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in. Sie beschäftigte Anfang 1996 521 Arbeitnehmer, davon 234 mit Kindergeldanspruch. Sie beantragte mit Schreiben vom 19. Februar 1996 an das Arbeitsamt, von der Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes für ihre Arbeitnehmer nach § 3 der Kindergeldauszahlungs-Verordnung (KAV) ab dem 1.1.1996 befreit zu werden. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Februar 1996 abgelehnt, der dagegen eingelegte Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 1. April 1996 abgewiesen.

Die Klägerin begründet ihre Klage damit, § 73 Abs. 1 und 3 EStG i.V.m. § 3 KAV seien verfassungswidrig, weil die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auszahlung des Kindergeldes gegen die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG, die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

In ihre Berufsausübungsfreiheit werde dadurch eingegriffen, daß ihr in erheblichem Umfang die unternehmerische Dispositionsgewalt über ihre Aufgabenbestimmung und ihre Verwaltung entzogen werde. Die vorgenommene Regelung der Berufsausübung entbehre der verfassungsrechtlichen Grundlage. Die Auszahlung des Kindergeldes sei eine staatliche Aufgabe, zu deren Erfüllung in erster Linie der Staat verpflichtet sei. Er besitze dafür auch genügend eigenes Verwaltungspotential. Sie als Arbeitgeberin treffe keine Verantwortung für die Zahlung des Kindergeldes. Das Kindergeld sei eine Sozialleistung, die keinen Bezug zu ihrer Stellung als Arbeitgeberin habe. Darüberhinaus sei die Gewährleistung des Zuflusses mit dem Lohn zur psychologischen Befriedigung der Arbeitnehmer kein staatliches Ziel, das die Überwälzung der Kosten dafür auf die Arbeitgeber rechtfertigen könne. Schließlich sei zum Zweck einer volkswirtschaftlichen Entlastung die unentgeltliche Überwälzung nicht zwingend. Dies könne ebensogut gegen Kostenerstattung erfolgen. Im übrigen trete keine Entlastungswirkung ein. Eine Überprüfung des derzeitigen Verfahrens durch den Bundesrechnungshof habe ergeben, daß es unwirtschaftlich sei. Die überwiegende Zahl der mit der Kindergeldzahlung in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sei von den Familienkassen durchzuführen. Für 98 % der Betriebe und ca. 66 % der Arbeitnehmer werde wegen der Befreiungsmöglichkeit des § 73 Abs. 3 EStG i.V.m. 3 KAV die Familienkasse auch in Zukunft die Auszahlung vornehmen müssen. Wegen der erforderlichen staatlichen Überprüfung der Auszahlung durch die Arbeitgeber sei die Entlastung sowieso minimal. Die Überwälzung auf den übrigen Teil der Arbeitgeber sei aus diesem Grunde unverhältnismäßig, weil diesen eine mehr als geringfügige Belastung aufgebürdet werde. Diese Unzuträglichkeiten seien von Seiten des Gesetzgebers erkannt worden. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern hätten einen Gesetzesentwurf mit dem Ziel eingebracht, die Auszahlungsverpflichtung durch die Arbeitgeber aufzuheben.

Die Eigentumseinschränkung liege in der Beeinträchtigung ihres Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Auszahlungspflicht. Denn es würden Kosten verursacht, welche ihr Vermögen schmälerten. Zusammen mit den Abgabenlasten und anderen Leistungspflichten werde eine Belastung von über 50 % erreicht, welche das Bundesverfassungsgericht neuerdings für verfassungswidrig erklärt habe. Eine Weiterbelastung der Kosten sei aufgrund des starken Wettbewerbs nicht mehr möglich.

Der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich daraus, daß die vollzogene Aufbürdung von Sonderlasten ohne besondere Rechtfertigung erfolgt sei. Die Gruppe der Arbeitgeber stehe in keiner besonderen Beziehung zur Kindergeldleistung und habe davon auch keinen Vorteil. Ziehe man sie zur Auszahlung heran, werde sie im Verhältnis zu anderen Gruppen ungleich belastet.

Die Klägerin beziffert ihre Kostenbelastung mit 16.848 DM für den Erstaufwand, mit 3.744 DM monatlich für laufende Kosten und mit monatlich 241,04 DM für Zinsverluste. Auf ihre Berechnung wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt

sie unter Aufhebung des Bescheids des Arbeitsamts Nagold vom 22. Februar 1996 sowie der Einspruchsentscheidung vom 1. April 1996 von der Auszahlung des Kindergeldes zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, § 73 Abs. 1 und 3 EStG i.V.m. 3 KAV verstießen nicht gegen das Grundgesetz. Die Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes sei eine erweiterte öffentliche Dienstleistungspflicht bei der Steuererhebung, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebe. Sie habe schon vor der Neuregelung bestanden und sei lediglich ausgeweitet worden. Sie entspreche den Bedingungen, welche die Verfassung an eine unentgeltlic...

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