rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage. Arrestanordnung. besonderes Feststellungsinteresse. Wiederholungsgefahr bei laufend veranlagten Steuern
Leitsatz (redaktionell)
1. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO im Wege der Analogie auch im Fall einer Verpflichtungsklage anzuwenden.
2. Durch den Erlass vollstreckbarer Steuerbescheide, welche die durch einen dinglichen Arrest gesicherten Steuerforderungen beinhalten, wird das (vorläufige) Arrestverfahren in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und die Arrestanordnung gegenstandslos.
3. Der Kläger muss das besondere Feststellungsinteresse substantiiert darlegen. Typische Fallgruppen sind eine Wiederholungsgefahr, die präjudizielle Wirkung für Folgeprozesse (Amtshaftung), ein Rehabilitierungsinteresse und die effektive Durchsetzung von Grundrechten.
4. Die im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage begehrte Feststellung muss geeignet sein, zu einer Positionsverbesserung zu führen. Dies ist zu verneinen, wenn es eine effektivere Rechtsschutzmöglichkeit gibt.
5. Bei laufend veranlagten Steuern wie z. B. der Einkommensteuer ist in der Regel ein Zusammenhang zwischen den Besteuerungsgrundlagen eines Jahres und der späteren Jahre nicht gegeben. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung steht einem besonderen Feststellungsinteresse unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr regelmäßig entgegen.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; AO § 324 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung vom 22.11.2019 i.H. von 1.427.128,30 Euro zur Einkommensteuer für 2013 bis 2016 (Streitjahre).
1. Der Kläger, geboren [...] in Y /China, ist mit einer B A, [...] geborene C, verheiratet. Die Ehe wurde [...] in W / Deutschland geschlossen. Sie haben das gemeinsame Kind K 2 A, [...] in V / Deutschland (Geburtsurkunde, ESt-Akte, Lasche 2004, Bl. 5). Die Ehefrau ist zudem die Mutter von K 1 A, [...] in V / Deutschland. Vater von K 1 ist ein P C, [...], wohnhaft in U / Deutschland (ESt-Akte, Lasche 2005, Bl. 2 und EA I, Bl. 206).
Der Kläger absolvierte in Deutschland von [...] ein technisches Studium an der Universität J / Deutschland und schloss mit dem akademischen Grad eines Diplom- Ingenieurs ab.
Die Ehefrau kam im Jahr [...] ins Inland (Antrag auf Eröffnung eines Girokontos vom 28.10.1991, EA II, Bl. 61).
Der Kläger und seine Ehefrau sind seit [...] 2001 deutsche Staatsangehörige (vgl. zuletzt Reisepass, ausgestellt durch die Stadt H am [...]2013, gültig bis [...]2023, Anlage 18 zum Schreiben vom 22.7.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 400 und BMO, Bl. 67 ff.). Er besitzt seit 1996 einen deutschen und einen chinesischen Führerschein, der am [...]2004 ausgestellt wurde (a.a.O., Bl. 430). Von [...] bis [...]2013 hatte er ein Touristenvisum für China (a.a.O., Bl. 404). Vom [...]2013 bis [...]2014, [...]2014 bis [...]2019 und [...]2019 bis [...]2023 war bzw. ist er Inhaber einer chinesischen Aufenthaltserlaubnis (Residence Permit for Foreigner in the People's Republic of China – PRC –, a.a.O., Bl. 419 f. – purpose of residence: „Funktionen” bzw. „Arbeit”). Am [...]2013 wurde ihm zunächst bis zum [...]2016 und am [...]2016 eine bis zum [...]2018 gültige Arbeitserlaubnis für China erteilt (Alien Employment Permit, a.a.O., Bl. 421 bis 426 – occupation or status: „P Technik X”).
Steuerlich bescheinigte ihm ein Direktor der Steuerverwaltung von [...], einem Stadtbezirk der bezirksfreien Stadt [...] in der chinesischen Provinz [...] (rund 360 km von X entfernt), dass er in den Jahren 2013 bis 2018 „Chinese fiscal resident” gewesen sei (Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 11.4.2022, Gerichtsakte zum 1 K 2898/21, Bl. 68 bis 73). Für das Jahr 2019 liegt eine Bescheinigung der Steuerverwaltung von [...], einem Stadtbezirk der regierungsunmittelbaren Stadt X, vor, wonach der Kläger „Chinese fiscal resident” sei (Rb-Akte, Bl. 14 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 539). Für die Jahre 2012 bis 2019 hat der Bevollmächtigte Bescheinigungen des Staatlichen Hauptfinanzamts der Stadt X, Stadtbezirk [...] vorgelegt, wonach der Kläger in 2012 auf seinen Lohn und Gehalt Steuern von 352.020 Yuan, 2017 von 15.490 Yuan, 2018 von 92.475 Yuan und 2019 von 91.080 Yuan gezahlt habe (Anlage K4 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 30.6.2021, Gerichtsakte zu 1 K 2953/20, Bl. 110 und Bl. 113 und Anlage K1 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 573 ff.).
2. Der Kläger war von 1997 bis 2003 in V / Deutschland und sodann bis 2007 in H einwohnerrechtlich gemeldet. Nochmals war er in H von [...] bis [...]2013 gemeldet (vgl. Auskunft über das Meldeportal vom 4.5.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 499 ff. und Anlage K20 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20.10.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 427).
Er wohnte nach seinem Studium bis 2000 in der [ anschließend mit seiner Ehefrau bis 2003 in der [...] -Straße xx in V / Deutschland und]-Allee x in V ...