rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von hauswirtschaftlichen Versorgungsleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei richtlinienkonformer Auslegung unterliegen auch Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorung der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 16e UStG.
2. Mit dem Betrieb einer Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und hilfsbedürftiger Personen eng verbundene Umsätze sind auch solche, die sich aus hauswirtschaftlichen Leistungen ergeben, die für kranke oder hilfsbedürftige Personen erbracht werden.
3. Es reicht aus, dass die Pflegekraft geeignet ist, die erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 16e; UStR 2002 R 99a Abs. 3; SGB V § 38; SGB XI §§ 36-37, 72
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 02. Juni 2004 werden die Umsatzsteuerbescheide 2001 vom 24. Mai 2004 und 2002 vom 02. März 2004 geändert. Die Umsatzsteuer 2001 wird um 17.605,95 Euro und die Umsatzsteuer 2002 um 22.614,97 EUR herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Klägerin erbrachten und von dieser als „Familienpflege” bezeichneten Leistungen umsatzsteuerbefreit sind.
Die Klägerin betreibt seit 1996 ein Unternehmen, das zunächst als „Haushaltshilfsdienst” firmierte. Am 05. Dezember 2000 schloss sie mit den gesetzlichen Krankenkassen einen Rahmenvertrag nach § 132 SGB V über die Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 38 SGB V. Am 27. August 2002 schloss die Klägerin unter der Firma „Ambulanter Pflegedienst X” mit den Kostenträgern (u.A. die Pflegekasse bei der AOK) und im Einvernehmen mit dem X-Kreis einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI (Pflegesachleistung gemäß § 36 SGB XI). In § 5 Abs. 1 des Vertrags heißt es:
Für die Dauer des Vertrags erbringt der Pflegedienst im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten Pflegesachleistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 36 SGB XI und führt Pflegeeinsätze bei Pflegegeldempfängern nach § 37 Abs. 3 SGB XI durch.
Mit Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 07. Mai 2003 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer im Wesentlichen erklärungsgemäß auf der Grundlage steuerfreier Umsätze von 249.649 DM, steuerpflichtiger Umsätze von 229.400 DM und Vorsteuern von 3.767,16 DM auf 33.032 DM fest.
Eine Umsatzsteuer-Außenprüfung im Oktober 2003 kam zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin bisher als steuerfrei nach § 4 Nr. 16 e UStG behandelten Umsätze (249.649 DM in 2001 und 208.659 EUR in 2002) zum größten Teil steuerpflichtig seien (vgl. den Prüfungsbericht vom 22. Januar 2004). Der Beklagte erhöhte daraufhin mit Änderungsbescheid vom 02. März 2004 die steuerpflichtigen Umsätze 2001 auf 479.649 DM und setzte unter Berücksichtigung von Vorsteuern von 7.866,29 DM die Umsatzsteuer 2001 auf 68.877 DM fest. Die Umsatzsteuer 2002 setzte der Beklagte mit ebenfalls auf der Grundlage der Erkenntnisse der Umsatzsteuer-Außenprüfung geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 02. März 2004 auf 38.509,66 EUR (steuerfreie Umsätze 208.657 EUR, steuerpflichtige Umsätze 280.410 EUR und abzugsfähige Vorsteuer 6.355,94 EUR) fest.
Die Klägerin erhob hiergegen am 04. März 2004 Einspruch.
Der Beklagte setzte mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 24. Mai 2004 auf der Grundlage steuerpflichtiger Umsätze von 445.214 DM (230.000 DM + 215.214 DM (249.649 × 100/116)) und Vorsteuern von 7.866,29 DM die Umsatzsteuer 2001 auf 63.367 DM herab.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 02. Juni 2004 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 im Ergebnis als unbegründet zurück. Im Streitfall seien einige Personen, an die die Klägerin Leistungen erbracht habe, nicht pflegebedürftig im Sinne des § 4 Nr. 16 e UStG gewesen, weil sie ausschließlich Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich benötigt hätten. Die an diese Personen erbrachten Leistungen seien deshalb – in Übereinstimmung mit R 99a Abs. 3 UStR 2002 – nicht steuerfrei. Im Übrigen habe in diesen Fällen das Bedürfnis zur Hilfe nicht voraussichtlich mindestens 6 Monate bestanden, so dass insoweit auch keine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 68 Abs. 1 BSHG gegeben gewesen sei. Soweit sich die Klägerin auf die 6. EG-Richtlinie beziehe, sei anzumerken, dass diese der Durchführung in innerstaatliches Recht bedürfe. Schließlich bestünden auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 4 Nr. 16 e UStG mit Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der 6. EG-Richtlinie.
Mit ihrer hiergegen am 22. Juni 2004 e...