Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung während Übergangsphase von Schulabbruch zum Wehrdienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kindergeldberechtigung besteht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nur, wenn das Kind sich während einer Übergangs- und Wartezeit von mehr als vier Monaten arbeitssuchend meldet. Dies gilt auch dann, wenn das Kind aufgrund der bevorstehenden Wehr- bzw. Zivildienstzeit als schwer vermittelbar gilt.
2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG kommt bei Überschreiten der Übergangszeit vor Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht. Auf ein Verschulden des Kindes kommt es nicht an.
3. Gegen diese Beschränkung im Wege der gesetzgeberischen Typisierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1, 2b, 2c
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Kindergeldaufhebungs- und -rückforderungsbescheids des Beklagten (Bekl) vom 29. November 2006, der den Zeitraum von April 2006 bis Oktober 2006 zum Gegenstand hat.
Der Kläger (Kl) ist der Vater des am 11. Juli 1985 geborenen Kindes B, für das er laufend Kindergeld bezog. Auf seinen Antrag vom 23. Mai 2005 war der Sohn des Kl im Hinblick auf seine Schulausbildung in der …-Schule in X bis einschließlich 30. Juni 2006 vom Wehrdienst zurückgestellt worden. Im März 2006 brach der Sohn dann seine Schulausbildung ab. In der Zeit vom 22. Mai 2006 bis zum 8. Juli 2006 war er nichtselbständig tätig.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 hatte der Sohn des Kl seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt. Mit Bescheid vom 23. Juni 2006 lehnte das Bundesamt für den Zivildienst den Antrag ab. Sein dagegen eingelegter Widerspruch wurde vom Bundesamt für den Zivildienst mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 23. August 2006 legte der Sohn des Kl Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid ein. Dieser wurde vom Bundesamt für den Zivildienst mit Bescheid vom 23. August 2006 als unzulässig verworfen. Zum 1. Januar 2007 wurde der Sohn des Kl dann zum Wehrdienst einberufen.
Nach entsprechendem rechtlichen Gehör mit Schreiben vom 20. November 2006 hob der Bekl mit Bescheid vom 29. November 2006 die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab April 2006 auf und forderte den für den Zeitraum von April 2006 bis Oktober 2006 gezahlten Betrag von 1.253 EUR vom Kl zurück. Zur Begründung führte der Bekl aus, der Sohn des Kl habe sich nach dem Abbruch seiner Schulausbildung im März 2006 nicht mehr in Berufsausbildung befunden. Nach den Daten der für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stelle sei er dort nicht als arbeitssuchend geführt worden. Er sei bei der Arbeitsvermittlung bisher nicht gemeldet gewesen.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 legte der Kl Einspruch gegen den Bescheid des Bekl vom 29. November 2006 ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es wäre unsinnig gewesen, den Sohn als arbeits- oder gar ausbildungssuchend bei der Agentur für Arbeit zu melden, da das Anerkennungsverfahren beim Bundesamt für den Zivildienst und – nach der Ablehnung der Anerkennung des Sohnes als Kriegsdienstverweigerer – das Einberufungsverfahren unmittelbar in Gang gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2006 wies der Bekl den Einspruch des Kl als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ab April 2006 nicht vorgelegen hätten bzw. nicht nachgewiesen seien. Insbesondere sei die vom Gesetz als nicht kindergeldschädlich eingestufte Übergangszeit von vier Monaten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b Einkommensteuergesetz – EStG –) im Streitfall überschritten. Auch könne der Sohn nicht gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden, da er im streitigen Zeitraum noch nicht als arbeitslos bzw. als arbeitssuchend gemeldet gewesen sei. Auch eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG sei im Streitfall nicht möglich, da dies voraussetzen würde, dass das Kind trotz ernsthafter Bemühungen keinen Ausbildungsplatz habe finden können. Auch dieses Kriterium sei im Streitfall nicht erfüllt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Dezember 2006 erhob der Kl Klage, zu deren Begründung er im Wesentlichen das Folgende vortragen lässt: Da der Sohn im Hinblick auf seine Schulausbildung bis zum 30. Juni 2006 vom Wehrdienst zurückgestellt gewesen sei, habe er davon ausgehen müssen, dass er ab dem 1. Juli 2006 Grundwehrdienst leisten müsse. Bemühungen um einen weiteren Ausbildungsplatz hätten sich damit bereits erübrigt gehabt. Dass der Antrag vom 23. Januar 2006 auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom Bundesamt für den Zivildienst mit Bescheid vom 23. Juni 2006 und der hiergegen eingelegte Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 zurückgewiesen...