rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug der Organträgerin aus Eingangsrechnungen des Betreibers der Betriebskantine für einen Produktionsbetrieb einer im Zweischichtbetrieb arbeitenden Organgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bewirtschaftet ein externer Dienstleister aufgrund eines Dienstleistungsvertrags entgeltlich eine Betriebskantine für eine Organgesellschaft der Unternehmerin, erbringt er eine Dienstleistung an die Organgesellschaft und damit auch an die Organträgerin (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG).

2. Die Organträgerin ist hinsichtlich der von dem Dienstleister in Rechnung gestellten Vorsteuern nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die erbrachte „Bewirtschaftungsleistung” bereits im Zeitpunkt ihres Bezugs nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit der Organträgerin, „sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Wertabgabe im Sinne von § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG zu verwenden beabsichtigt” ist und der „Arbeitnehmer einen verbrauchbaren Vorteil erlangt”, indem z. B. die Bewirtschaftung der Kantine dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer dient und nicht durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt ist.

3. Die Bewirtschaftsleistungen des Kantinenbetreibers bei der Organgesellschaft erfolgen „im eigenen unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers” und sind durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt, sodass das Interesse der Organträgerin an der innerbetrieblichen Verköstigung bei der Organgesellschaft den Vorteil, der sich für die dort Beschäftigten aus der verbilligten Abgabe der Speisen ergibt, deutlich überwiegt – und der Organträgerin deswegen der Vorsteuerabzug zusteht – wenn unter anderem

  • die Orangesellschaft an einem mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbaren Ortsrand außerhalb eines Ballungsgebiets eine Fertigung mit Früh- und Spätschicht betreibt und der Schichtbetrieb nur mit festen, begrenzten Pausenzeiten der Mitarbeitern durchgeführt werden kann,
  • die maximal 30 Minuten umfassenden Pausenzeiten es den Mitarbeitern nicht ermöglichen, das Betriebsgelände für eine externe Verpflegung zu verlassen und wenn zudem in der Gegend des Betriebsgeländes keinerlei Gelegenheiten zur Einnahme von Mahlzeiten wie Esslokale, Imbisse, Metzgereien oder Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte usw. in erreichbarer Nähe vorhanden sind,
  • die Fertigungslinien nur während der Pausenzeiten stillstehen und bei längeren Pausen nicht sofort wieder hochgefahren werden könnten.
 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 3, § 3 Abs. 9a Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 26 Abs. 1 Buchst. a, Art. 168

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. November 2020 wird der Umsatzsteuerbescheid 2012, zuletzt vom 16. August 2019, dahingehend geändert, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von … EUR berücksichtigt werden. Die Ermittlung der festzusetzenden Umsatzsteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde am … unter der HRX Nummer … als Aktiengesellschaft (AG) in das Handelsregister A eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist […]

Die Klägerin ist umsatzsteuerliche Organträgerin der Organgesellschaft B GmbH (ehemals C GmbH). Die B GmbH (ehemals C GmbH) ist ein produzierendes Unternehmen und stellt […] her.

Die B GmbH unterhält an ihrer Betriebsstätte in D eine Betriebskantine, welche sie durch einen externen Dienstleister im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreiben lässt. In der Kantine können sämtliche Mitarbeiter der B GmbH von dem Dienstleister angebotene (Zwischen-)Mahlzeiten einnehmen, etwas trinken oder auch sich darin nur aufhalten, etwa um mitgebrachte Verpflegung zu verzehren. Die damalige C GmbH als Kunde und die E oHG als Dienstleister haben einen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Dienstleistungsvertrag zwischen der C GmbH und der E oHG Bezug genommen (…). Vereinbart wurde u.a. Folgendes:

„§ 1 Vertragsgegenstand – Grundsätze

Der Dienstleister verpflichtet sich, die Mitarbeiter und Gäste des Kunden mit Haupt- und Zwischenverpflegung zu versorgen. Er erhält hierzu vom Kunden für die Vertragslaufzeit das ausschließliche Recht die Betriebskantine zu betreiben. […] Der Ein- und Verkauf der erforderlichen Waren erfolgt durch den Dienstleister im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.”

㤠3 Personal

Das Personal wird durch den Dienstleister ...

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