rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung. Kein Zurechung nicht zugeflossener Erträge
Leitsatz (redaktionell)
§ 42 Satz 2 AO ermöglicht lediglich, eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende missbräuchliche Gewinnausschüttung zu neutralisieren, nicht jedoch, nicht zugeflossene Kapitalerträge dem Gesellschafter, der der abweichenden Gewinnausschüttung zu seinen Lasten zugestimmt hat, zuzurechnen.
Normenkette
AO §§ 42, 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 174; EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 3. März 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 21. April 2004 werden ersatzlos aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für sie festgesetzten Kostenerstattung leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist zu 1,4615 v.H. am Stammkapital der W-GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer er ist. Die Anteile an der W-GmbH werden zu 50,4103 v.H. von der Familie Dr. W. W., zu 32,6795 v.H. von der Familie H. W., zu 13,9872 v.H. von der RTW-GmbH und zu je 1,4615 v.H. von den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern gehalten. Mit der Einkommensteuererklärung für 2001 erklärte der Kläger Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 118.516,49 DM aus einer von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden, sog. inkongruenten Gewinnausschüttung der W-GmbH für 2000 gemäß Gesellschafterbeschluss vom 24. Juli 2001. Die Gesellschafter der W-GmbH hatten zugleich vereinbart, dass sie in einer Abstimmung der Gesellschafterversammlung für einen Nachteilsausgleich stimmen würden, sofern den Gesellschaftern durch die disquotale Ausschüttung gemäß Beschluss vom 24. Juli 2001 Nachteile finanzieller Art (Steuer) entstünden. Mit Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 23. Juli 2002 wurden die Kläger zunächst wie erklärt veranlagt.
Der Beklagte erkannte die inkongruente Gewinnausschüttung nicht an und rechnete dem Kläger im Einkommensteuerbescheid für 2000 eine seiner Beteiligung entsprechende Dividende in Höhe von 256.996 DM zu. Auf den Einspruch des Klägers änderte der Beklagte unter dem 3. März 2003 den Einkommensteuerbescheid für 2000 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO); gleichzeitig erging ein nach § 174 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für 2001, in welchem der Beklagte nunmehr die der Beteiligung entsprechende Dividende in Höhe von 256.996 DM erfasste.
Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2001 erhoben die Kläger Einspruch und beriefen sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, wonach von den Beteiligungsverhältnissen abweichende inkongruente Gewinnausschüttungen steuerrechtlich anzuerkennen seien und auch dann keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO darstellten, wenn andere als steuerliche Gründe nicht erkennbar seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass eine gesellschaftsrechtlich wirksam vorgenommene inkongruente Ausschüttung steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, könne dies nicht dazu führen, dass Gesellschafter Einkünfte zu versteuern hätten, die ihnen nicht zugeflossen seien.
Zum Hintergrund der inkongruenten Gewinnausschüttung trugen die Kläger vor, dass die Ausschüttung inkongruent zu Gunsten der RTW-GmbH erfolgt sei. Diese sei mit 13,9872 v.H. an der W-GmbH beteiligt, wobei es sich um eine wechselseitige Beteiligung handele, da die RTW-GmbH eine 100 %ige Tochtergesellschaft und zugleich ein wichtiger Zulieferbetrieb der W-GmbH sei. § 15 B der Satzung der W-GmbH erlaube durch Beschluss der Gesellschafter eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung. In der Gesellschafterversammlung vom 24. Juli 2001 sei für das Jahr 2000 eine Gewinnausschüttung in Höhe von 9.000.000 EUR beschlossen worden. Ferner sei beschlossen worden, die Gewinnausschüttung inkongruent und in Höhe von 6.503.680,06 EUR zu Gunsten der RTW-GmbH vorzunehmen, um es dieser zu ermöglichen, die gegenüber der W-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten auszugleichen. Die RTW-GmbH habe körperschaftsteuerliche Verlustvorträge ausnutzen können, um die inkongruente Dividende ohne Steuerbelastung vereinnahmen zu können. Auf der Ebene der W-GmbH habe eine Wertberichtigung auf Forderungen gegenüber der RTW-GmbH zum 31. Dezember 2001 in Höhe von 1.293.086,15 EUR aufgelöst werden können, sonst nicht realisierbare Forderungen hätten auf diesem Weg in Liquidität umgewandelt werden können. Die Verbindlichkeiten der RTW-GmbH gegenüber der W-GmbH seien von ca. 6.900.000 EUR auf ca. 2.900.000 EUR reduziert worden. Die inkongruente Ausschüttung habe zum einen der Sanierung der RTW-GmbH gedient, zum anderen habe die W-GmbH von der Sanierung der RTW-G...